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NewsLetter BETRIEBSRAT

Das „Homeoffice-Attest“ – sinnvoll oder mit Risiko

2024 / Monat März

Eigentlich ist die Unterscheidung einfach. Arbeitsunfähig oder nicht, dies ggf. auch während der Arbeit im Home office. Ein Arzt kann also nur die vollständige krankheitsbedingte Unfähigkeit zur Arbeitsleistung bescheinigen. Eine „Teil“-Arbeitsunfähigkeit gibt es nicht und ist auch gesetzlich nicht vorgesehen.
Bei dem sog. „Homeoffice-Attest“ geht es um etwas anderes. Ein Arzt bescheinigt oder empfiehlt (statt einer Arbeitsunfähigkeit), dass das Arbeiten im Homeoffice „gesundheitsfördernd“ ist oder (meist nach einer Erkrankung) sogar für einen Heilungsprozess dringend notwendig sei. Mit einem solchen Attest (Empfehlung) muss sich ein Arbeitgeber auseinandersetzen. Es besteht allgemein die Pflicht (aus der Gewerbeordnung) einen Arbeitsplatz „nach billigem Ermessen“ anbieten zu müssen, also unter Berücksichtigung bekannter Einschränkungen und Beachtung des Gesundheitsschutzes. 

Reicht also hierfür das ärztliche Attest?

Der Arbeitgeber hat in diesem Fall eine Ermessensentscheidung zu treffen. Besteht zB wegen der körperlichen Konstitution ein unüberwindbares Hindernis, die Arbeitsleistung zu erbringen, wird der Fall klar sein. Bei Tätigkeit an einer Produktionsmaschine klappt es natürlich nicht. Nur wenn die Art der Arbeit keine Präsenz am Arbeitsplatz erfordert, könnte eine Chance bestehen.

Aber Vorsicht: Ein ärztliches Attest/eine Empfehlung kann natürlich auch (zB durch einen Betriebsarzt) erschüttert werden. 

Nicht ohne Risiko

Ein Risiko besteht außerdem darin, bei einer späteren AU dann auf die Möglichkeit der Homeoffice-Arbeit verwiesen zu werden (und zwar trotz bescheinigter Arbeitsunfähigkeit). Hier droht eine neue Form der Auseinandersetzung zumal das Bundesarbeitsgericht neuerdings sogar in bestimmten Fällen den Beweiswert einer AU-Bescheinigung in Frage stellt.


Bonuszahlungen – und die Eigenkündigung

2024 / Monat März

entgegenstehende Regelung ist unwirksam

In dem Fall haben die Betriebsparteien den Anspruch auf den Bonus davon abhängig gemacht, dass das Arbeitsverhältnis bis zum Ende des Fiskaljahres (31.05.) fortbesteht. Natürlich dient eine solche Regelung dazu, den Arbeitnehmer davon abzuhalten, seinen Arbeitsplatz aufzugeben und zu einem anderen Arbeitgeber zu wechseln. Zwar besteht hierzu keine Mitbestimmung des Betriebsrates, die Betriebsparteien sind aber an den Grundsatz von Recht und Billigkeit gebunden.
Hat also der Arbeitnehmer vorgeleistet (im Vorjahr), ist auch der Arbeitgeber zur Gegenleistung verpflichtet. Dies schließt bereits aus, überhaupt Stichtagsregelungen vorzusehen. Wird also, wie auch im vorliegenden Fall auf den Unternehmenserfolg abgestellt (Tantieme, Gewinnbeteiligung) und haben bereits Neueintretende einen anteiligen Anspruch, soll offensichtlich die erbrachte Arbeitsleistung (und nicht die Betriebstreue) honoriert werden.

Im Ergebnis konnte der Kläger, der bereits zum 30.04. des Folgejahres ausgeschieden war, erfolgreich 8.508,97 Euro brutto durchsetzen.


Betriebsrat hat Anspruch auf Tablets oder Notebooks

2024 / Monat März

LAG München sieht Anspruch aus § 30 (3) BetrVG

Seit der Einführung der Möglichkeit, Sitzungen des Betriebsrats per Videokonferenz durchzuführen, stellt sich natürlich auch die Frage der notwendigen technischen Ausstattung. Das Gericht sagt, wenn die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 BetrVG vorliegen, also die Geschäftsordnung des BR zulässig solche Online-Sitzungen ermöglicht, besteht der Anspruch auf die erforderliche Technik. Es sollen, so das Gericht, über die Regelung in § 30 Abs. 3 BetrVG hinaus gerade keine weiteren Anforderungen hinsichtlich des Obs der Zurverfügungstellung von entsprechender IT-Ausstattung gestellt werden.


Betriebsrat kann Präsenzschulung statt webinar verlangen

2024 / Monat März

Bundesarbeitsgericht stellt klar

Immer wieder entsteht Streit darüber, ob nicht der Betriebsrat verpflichtet ist, bei Schulungen „kostengünstige“ Alternativen zu wählen. Im konkreten Fall vor dem Bundesarbeitsgericht verweigerte der Arbeitgeber die Übernahme der Übernachtungs- und Verpflegungskosten mit der Begründung, das inhaltsgleiche Seminar desselben Veranstalters hätte auch als webinar, also online besucht werden können.
Das BAG stellt nun erneut klar: Der Betriebsrat hat einen eigenen Entscheidungsspielraum, zu welchen Schulungen er die Mitglieder entsendet. Der Umstand, dass bei einem Präsenzseminar in der Regel höhere Kosten anfallen, steht dem nicht entgegen. (BAG v. 07.02.2024 – 7 ABR 8/23 –). Die schriftliche Begründung des Urteils liegt noch nicht vor. Die Klarstellung des Gerichts ist wichtig, weil sie den Betriebsrat bei der Auswahlentscheidung stärkt.


Versicherungsschutz beim Kauf eines Leberkässemmels

2023 / Monat Dezember

verunglückt in der Mittagspause

Der Kläger erlitt am 10. März 2022 einen Unfall, als er auf dem direkten Weg vom Einkauf des Mittagsessens zurück zum Arbeitsplatz mit dem Fahrrad stürzte. Er gab an, dass er am Unfalltag im Homeoffice gewesen sei und in der Mittagspause eine Mahlzeit (Leberkässemmel und Eintopf) in der nahen Metzgerei zum Verzehr im Homeoffice besorgen wollte. Der Unfall sei auf dem Rückweg passiert; wegen am rechten Fahrbahnrand geparkter Fahrzeuge und des Gegenverkehrs habe er abbremsen müssen, versehentlich zu stark die Vorderradbremse betätigt und sei dabei über den Lenker gestürzt.

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EUR 215.000,- Bußgeld für „Schwarze Liste“ von Probezeit-Beschäftigten

2023 / Monat Dezember

Berliner Datenschutzbeauftragte setzt fest

Um mögliche Kündigungen zum Ende der Probezeit vorzubereiten, führte eine Vorgesetzte auf Weisung der Geschäftsführung des Unternehmens von März bis Juli 2021 eine tabellarische Übersicht aller Beschäftigten in der Probezeit. In der Übersicht listete sie alle Mitarbeitenden in der Probezeit auf und bewertete die weitere Beschäftigung von elf Personen als „kritisch“ oder „sehr kritisch“. Diese Einstufung wurde in einer Tabellenspalte mit der Überschrift „Begründung“

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Heimliche Tonaufzeichnungen als Kündigungsgrund?

2023 / Monat Dezember

Es kommt auf den Einzelfall an

In einem Verfahren vor dem LAG Rheinland-Pfalz hatte ein als Kassierer eingesetzter Mitarbeiter, der seit 17 Jahren für das Unternehmen tätig war, seinen Arbeitsplatz an einem Tag 15 Minuten zu früh verlassen. Nach einem hierüber entbrannten heftigen Streit mit einer Kollegin bat der Kassierer seinen Vorgesetzten um ein persönliches Gespräch in dieser Angelegenheit. Das hierauf mit dem Vorgesetzten geführte Gespräch schnitt der Kassierer heimlich auf seinem Smartphone mit. Als dem Vorgesetzten der Mitschnitt bekannt wurde,

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Mitbestimmung bei der Rufbereitschaft

2023 / Monat Dezember

LAG Berlin stellt klar

Betriebsrat und Arbeitgeber streiten darüber, ob dieser für bestimmte Rufbereitschaftsdienste von Fachärzten einseitig festlegen kann, dass die Ärzte bei Abruf binnen max. 30 Minuten im Krankenhaus beim Patienten eingetroffen sein müssen. Der Betriebsrat meint, das dürfe der Arbeitgeber nicht.

Darum geht es

In einem Krankenhaus wird den Ärzten im Oktober 2021 per Dienstanweisung vorgegeben, sie müssten während der Rufbereitschaft binnen 30 Minuten beim Patienten verfügbar sein. Der Betriebsrat ist der Auffassung, dass diese Anweisung gegen die langjährig angewandte Betriebsvereinbarung verstößt. Das Gremium verlangt vom Arbeitgeber, die Anweisung zu unterlassen.

Für das Krankenhaus gilt seit Februar 2014 eine „Betriebsvereinbarung Dienstplangestaltung und Arbeitszeit Ärzte (BV Arbeitszeit Ärzte)“, die durch einen Spruch der Einigungsstelle zustande gekommen ist. In § 10 legt die BV Arbeitszeit Ärzte zur Rufbereitschaft fest, dass diese „telefonisch erreichbar“ müssen. Ebenso müssen sie in der Lage sein, „ihre Arbeitszeit innerhalb einer für die notwendige Patientenversorgung angemessenen Zeit aufzunehmen.“ Bereits am 22.7.2014 hatte das Arbeitsgericht Brandenburg an der Havel rechtskräftig festgestellt, dass die Betriebsvereinbarung wirksam ist.

Im neuen Verfahren wies das Arbeitsgericht Brandenburg an der Havel am 27.4.2022 den Unterlassungsantrag des Betriebsrats zurück. Die Begründung dafür: Das Mitbestimmungsrecht bei der Arbeitszeit umfasse zwar die Aufstellung von Rufbereitschaftsplänen, nicht aber die inhaltliche Ausgestaltung der Rufbereitschaft. Außerdem sei die Rufbereitschaft durch Tarifvorschrift abschließend geregelt.

Das sagt das Gericht

Das LAG ist anderer Meinung und gibt dem Unterlassungsantrag des Betriebsrats statt. Der Arbeitgeber müsse die Anweisung zu unterlassen, weil die einseitige Vorgabe einer Anrückzeit von 30 Minuten nicht für alle Anwendungsfälle gesichert angemessen sei. Dadurch werde der Anspruch des Betriebsrates auf Durchführung der Betriebsvereinbarung verletzt.

Die Betriebsvereinbarung regelt lediglich, dass die Ärzte während der Rufbereitschaft telefonisch erreichbar und in der Lage sein müssen, ihre Arbeitszeit innerhalb einer für die notwendige Patientenversorgung angemessenen Zeit aufzunehmen.



WhatsApp Chat als Kündigungsgrund?

2023 / Monat Mai

„privater“ Inhalt ist geschützt
In dem Fall war der Arbeitnehmer in einer privaten WhatsApp Chatgruppe mit sieben weiteren Mitarbeitern. Zwischen den Mitgliedern dieser Chatgruppe bestand eine langjährige Freundschaft. In diesem Chat äußerte sich der Arbeitnehmer äußerst abwertend über seinen Arbeitgeber sowie über andere Mitarbeiter und Vorgesetzte. Die Äußerungen zu weiblichen Mitarbeiterinnen/Vorgesetzten waren dabei stark sexualisiert und abwertend. Andere Äußerungen enthielten rassistische Inhalte. Auch wurden vermehrt Gewaltfantasien mit Bezug zu Mitarbeitern und Vorgesetzten geäußert.
Dieser WhatsApp Chatverlauf wurde von einem Gruppenmitglied einer dritten Person gezeigt. Diese dritte Person kopierte den Chat. Der Chat wurde

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BEM notwendig, trotz Zustimmung Integrationsamt

2023 / Monat Mai

Arbeitgeber immer verpflichtet, BEM-Verfahren einzuleiten
In dem Fall fand auf Initiative der Klägerin ein Präventionsgespräch statt, an dem auch Mitarbeiter des Integrationsamts teilnahmen. Mit Schreiben vom selben Tag lud die Beklagte die Klägerin zu einem betrieblichen Eingliederungsmanagement (bEM) ein. Die Klägerin teilte mit, dass sie an einem bEM teilnehmen wolle, sie unterzeichnete aber die ihr diesbezüglich von der Beklagten übermittelte datenschutzrechtliche Einwilligung nicht, sondern

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Referenten-Entwurf zur Arbeitszeiterfassung

2023 / Monat Mai

BMASVorschlag zur Umsetzung der Vorgaben des EuGH und BAG

Der ReferentenEntwurf des BMAS legt die Anforderungen für die Arbeitszeiterfassung fest: Der Regelfall der Erfassung soll elektronisch sein (Beginn, Ende und Dauer). Damit können die tatsächlichen Arbeitszeiten (ohne Pausen und Unterbrechungen) erfasst werden. Dabei können in Schichtbetrieben auch elektronische Schichtpläne ausreichend sein. Die Erfassung muss am Ende des Tages taggenau vorgenommen werden. Nachträgliche Erfassungen können Ungenauigkeiten mit sich bringen. Der Arbeitgeber kann die Aufzeichnungspflicht auf die Beschäftigten delegieren jedoch muss er ein Kontrollsystem einrichten, das Verstöße gegen die gesetzlichen Arbeitszeitbestimmungen aufdeckt. Zudem müssen die Beschäftigten über die Aufzeichnungspflicht informiert werden und der Arbeitgeber muss mindestens Stichproben durchführen.

Verstöße hiergegen werden mit einem Bußgeld bis zu EUR 30.000 bestraft.

Fachanwalt für Arbeitsrecht Wolfgang Steen
Rechtsanwälte Gaidies Heggemann & Partner, Hamburg


Sind „Koppelungsgeschäfte“ zulässig?

2023 / Monat Mai

Überstunden und Arbeitsschutz
Von Koppelungsgeschäften spricht man, wenn der Betriebsrat seine Zustimmung zu einer mitbestimmungspflichtigen Maßnahme des Arbeitgebers davon abhängig macht, dass dieser eine – ggf. nicht der Mitbestimmung unterliegende – Gegenleistung erbringt bzw. sich dazu wirksam verpflichtet.
Der Betriebsrat will zu den beantragten Maßnahmen des Arbeitgebers also nicht nur »Ja« oder »Nein« sagen, sondern mit ihm über ein »Paket« verhandeln, das auch Zugeständnisse

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Auswertung der BR-Wahlen in 2022

2023 / Monat März

Die Hans-Böcker-Stiftung hat die Ergebnisse der BR-Wahlen 2022 ausgewertet. Die Wahlbeteiligung ist auf durchschnittlich 72% gesunken (Achtung: Corona). Frauen besetzen unverändert 30% aller Mandate, nur in den Dienstleistungsbranchen ist dieser Anteil höher und liegt bei fast der Hälfte. 38% aller Mandatsträger wurden zum ersten Mal in den Betriebsrat gewählt. In 8,3% aller Fälle wurde der Betriebsrat völlig neu gegründet.

Fachanwälte für Arbeitsrecht
Rechtsanwälte Gaidies Heggemann & Partner, Hamburg


Mutterschutz greift früher ein

2023 / Monat März

Ab wann ist frau „juristisch“ schwanger?

Ab wann das Kündigungsverbot für werdende Mütter eingreift, hängt vom voraussichtlichen Entbindungstermin ab, den ein Arzt bestätigt. Von diesem Termin wird zurückgerechnet. Hierfür gibt es unterschiedliche Angaben, entweder die durchschnittliche Dauer einer Schwangerschaft von 266 Tagen oder die äußerste zeitliche Grenze von 280 Tagen.
Schutz vor Kündigungen
Das BAG hat sich jetzt mit Rückgriff auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) klar geäußert. Schwerpunkt sei die europäische Mutterschutzrichtlinie. Diese solle verhindern, dass sich die Gefahr, aus Gründen entlassen zu werden, die mit dem Zustand der Schwangeren in Verbindung stehen, schädlich auf ihre physische und psychische Verfassung auswirken kann. Aus diesem Grund sei es offensichtlich, dass vom frühestmöglichen Zeitpunkt des Vorliegens einer Schwangerschaft auszugehen sei, also dem Zeitraum von 280 Tagen. Das BAG änderte seine bisherige Rechtsprechung entsprechend
(Urteil v. 24.11.2022 – 2 AZR 11/22).

 

Fachanwälte für Arbeitsrecht
Rechtsanwälte Gaidies Heggemann & Partner, Hamburg


Sturz beim Kaffee-Holen ist Arbeitsunfall

2023 / Monat März

Wenn innerhalb der Betriebsstätte

Eine Verwaltungsangestellte rutschte auf dem Weg zu dem im Sozialraum des Finanzamtes aufgestellten Getränkeautomaten auf nassem Boden aus und erlitt einen Lendenwirbelbruch.

Die 57-jährige Frau aus dem Landkreis Hersfeld-Rotenburg beantragte, dies als Arbeitsunfall anzuerkennen. Der Weg zum Getränkeautomaten sei während ihrer Arbeitszeit unfallversichert.

Die Unfallkasse Hessen lehnte den Antrag ab. Der Versicherungsschutz ende regelmäßig mit dem Durchschreiten der Kantinentür. Das sagt das Gericht

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Entgeltgleichheit vor dem Bundesarbeitsgericht

2023 / Monat März

… wenn der neu eingestellte Mann mehr verdient

In dem Fall einer Außendienstmitarbeiterin im Vertrieb betrug das Grundgehalt 3.500,00 Euro brutto. Neben der Klägerin waren als Außendienstmitarbeiter im Vertrieb der Beklagten zwei männliche Arbeitnehmer beschäftigt. Bei einer Neueinstellung eines männlichen Kollegen bot die Beklagte auch diesem ein Grundentgelt von 3.500,00 Euro brutto, was dieser jedoch ablehnte. Er verlangte für die Zeit bis zum Einsetzen einer zusätzlichen leistungsabhängigen Vergütung ein höheres Grundentgelt von 4.500,00 Euro brutto. Die Beklagte gab dieser Forderung nach. Zur Begründung berief sie sich ua. darauf, dass der Arbeitnehmer einer ausgeschiedenen, besser vergüteten Vertriebsmitarbeiterin nachgefolgt sei. 

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Tägliche Ruhezeit kommt zur wöchentlichen Ruhezeit hinzu

2023 / Monat März

Wieder einmal muss es der EuGH „richten“

In dem Fall, der dem Europäischen Gerichtshof vorlag, ging es um einen ungarischen Lokführer. Für ihn galt laut Tarifvertrag eine wöchentliche Mindestruhezeit von 42 Stunden – also weit mehr als die EU-rechtlich vorgegebenen 24 Stunden. Das nahm die Arbeitgeberin zum Anlass, um dem Lokführer in bestimmten Fällen seine tägliche elfstündige Ruhezeit zu versagen. Diese gewährte sie ihm nämlich dann nicht, wenn sie der wöchentlichen Ruhezeit (oder auch Urlaubstagen) unmittelbar vorausging oder nachfolgte. Das Argument der Arbeitgeberin: Weil die wöchentliche Ruhezeit weit über den EU-rechtlich vorgegebenen 24 Stunden liegt, sei mit ihr in einem solchen Fall dann auch die tägliche Ruhezeit von elf Stunden gleich mit abgegolten – die tägliche Ruhezeit sei dann also Teil der wöchentlichen Ruhezeit.

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Vergütung von Betriebsratsmitgliedern

2023 / Monat März

Bundesgerichtshof setzt Grenzen

 

Im Verfahren gegen die Personalverantwortlichen musste sich ein Strafsenat des Bundesgerichtshofs mit der Vergütungspraxis bei VW auseinandersetzen. Über den Einzelfall hinaus entschied der BGH:

Die gesetzliche Regelung des § 37 Abs. 4 S. 1 BetrVG schließt eine Bewertung der Betriebsratstätigkeit für Vergütungszwecke aus. Das gelte auch für im Betriebsratsamt erworbene Qualifikationen, soweit diese nicht im Zusammenhang mit der bisherigen Arbeitstätigkeit stehen. Es verbiete sich, auf die hypothetische Gehaltsentwicklung des Betriebsrats bei einer Sonderkarriere abzustellen. Vergleichbar sei nur, wer im Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt habe und dafür in gleicher Weise wie der Betriebsrat fachlich und persönlich qualifiziert war.

Betriebsübliche Entwicklung

Üblich sei eine Entwicklung, wenn die überwiegende Anzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer eine solche typischerweise bei normaler betrieblicher und personeller Entwicklung genommen habe. Diese Regeln gelten nach dem BGH auch für Beförderungen. Ein Aufstieg sei insbesondere nur dann betriebsüblich, wenn die Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer einen solchen erreicht habe. Die Zahlung einer höheren Vergütung setzte voraus, dass der Betriebsrat nur infolge der Amtsübernahme nicht in die entsprechend vergütete Position aufgestiegen sei. Darüber hinaus gehende Vergütungserhöhungen verstoßen nach dem BGH gegen das Begünstigungsverbot aus § 78 S. 2 BetrVG.
Anmerkung: Es war immer „Standard“ auf Vergleichsarbeitnehmer abzustellen, die in etwa zur selben Zeit wie das BR-Mitglied eingestellt wurden und einen ‚betriebsüblichen‘ Aufstieg vollzogen haben. Dann konnte das hypothetische Gehalt verlangt werden, auch wenn die Stelle tatsächlich nicht selbst besetzt wurde („Schattenbesetzung“). BR-Mitglieder sollten also die Entwicklung dieser Kolleg:innen genau im Auge behalten.

Fachanwalt für Arbeitsrecht Wolfgang Steen
Rechtsanwälte Gaidies Heggemann & Partner, Hamburg


Muss ich nach Feierabend E-Mails lesen?

2023 / Monat Februar

LAG Schleswig-Holstein meint: Nein!

In diesem Fall ging es um einen Notfallsanitäter und eine kurzfristige Dienstplanänderung für den Folgetag. Der Kläger war jedoch an diesem Tag weder telefonisch noch per SMS zu erreichen. Er meldete sich erst wieder zu seinem ursprünglich geplanten Dienstbeginn. Der Arbeitgeber wertete dieses Verhalten als unentschuldigtes Fehlen und erteilte dem Kläger eine Abmahnung.

Mit seiner Klage wehrt sich der Kläger gegen den Abzug von Stunden von seinen Arbeitszeitkonten und begehrt die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte. Das ArbG wies die Klage ab.

Das LAG gab der Klage statt. Es liegt kein unentschuldigtes Fehlen des Klägers vor, da die Beklagte nicht hat nachweisen können, dass dem Kläger die Mitteilung über die kurzfristige Änderung des Dienstplans zugegangen ist. Zwar ist davon auszugehen, dass die SMS auf dem Handy des Klägers eingegangen ist. Mit der Kenntnisnahme des Inhalts der SMS durfte der Arbeitgeber jedoch nicht vor 7:30 Uhr des Folgetages (dem planmäßigen Dienstbeginn des Klägers) rechnen. Denn der Kläger ist nicht verpflichtet, während seiner Freizeit eine dienstliche SMS aufzurufen, um sich über seine Arbeitszeit zu informieren und damit zugleich seine Freizeit zu unterbrechen. Beim Lesen einer SMS, mit der der Arbeitgeber sein Direktionsrecht im Hinblick auf Zeit und Ort der Arbeitsausübung konkretisiert, handelt es sich um Arbeitszeit. Der Kläger erbringt mit dem Lesen eine Arbeitsleistung.

In seiner Freizeit steht dem Kläger das Recht auf Unerreichbarkeit zu. Wie schon vom LAG Thüringen festgestellt (16.5.2018 – 6 Sa 442/17), gehört es zu den vornehmsten Persönlichkeitsrechten, dass ein Mensch selbst entscheidet, für wen er/sie in dieser Zeit erreichbar sein will oder nicht. (LAG Schleswig-Holstein v. 27.9.2022 – 1 Sa 39 öD/22)



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