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NewsLetter BETRIEBSRAT

Laptop für den Betriebsrat

2023 / Monat Februar

Betriebsrat hat Beurteilungsspielraum

Die Betriebsratsvorsitzende und ihr Stellvertreter hielten sich häufig gleichzeitig im Betriebsratsbüro auf und seien gleichzeitig auf die Nutzung eines PCs angewiesen. Ihm, dem Betriebsrat, könne auch nicht zugemutet werden, Einigungsstellenverfahren mit von der Arbeitgeberin dafür zur Verfügung gestellten Tablets durchzuführen. Das Gericht: Gemäß § 40 Abs. 2 BetrVG könne der Betriebsrat die Zurverfügungstellung eines Laptops mit den von dem Arbeitsgericht bezeichneten Merkmalen und der angegebenen Software beanspruchen.

Die gerichtliche Kontrolle des betriebsrätlichen Begehrens sei auf die Prüfung beschränkt. Ob das verlangte Sachmittel aufgrund der konkreten betrieblichen Situation der Erledigung der gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats dient und dieser bei seiner Entscheidung nicht nur die Interessen der Belegschaft berücksichtigt, sondern auch berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rechnung getragen hat. Diene das jeweilige Sachmittel der Erledigung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben und halte sich die Interessenabwägung des Betriebsrats im Rahmen seines Beurteilungsspielraums, könne das Gericht die Entscheidung des Betriebsrats nicht durch seine eigene ersetzen.

Auch der Arbeitgeber könne dem Betriebsrat die Art der innerbetrieblichen Kommunikation nicht vorschreiben. Bei dem zugesprochenen Laptop handle es sich um Informations- und Kommunikationstechnik i.S.v. § 40 Abs. 2 BetrVG. Die Entscheidung des Betriebsrats für dieses Sachmittel halte sich im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums, da er den Laptop zur Erledigung seiner gesetzlichen Aufgaben benötige.

Kosten sind zuzumuten

Kosteninteressen der Arbeitgeberin stünden dem betriebsrätlichen Begehren nicht entgegen. Schließlich gehöre die Arbeitgeberin zu einer Unternehmensgruppe, die eigenen Angaben zufolge im Jahr 2021 einen Nettogewinn von insgesamt mehr als 3,2 Mrd. Euro erwirtschaftet habe. Auch wenn sie ggf. alle Betriebsräte in Deutschland entsprechend ausstatten müsste, seien ihr die Kosten trotz pandemiebedingter Umsatzrückgänge in Deutschland zuzumuten.

(LAG Köln, Beschluss vom 24.06.2022, 9 TaBV 52/21)


Schulung in Präsenz statt Webinar

2023 / Monat Februar

LAG Düsseldorf sieht höheren Lerneffekt

Die Arbeitgeberin verweigerte die Übernahme der Schulungs-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten für ein BetrVG 1-Seminar. Sie meint in erster Linie, dass die beiden Mitglieder der Personalvertretung an einem kostengünstigeren Webinar mit identischem Schulungsinhalt hätten teilnehmen können, zumal dann keine Übernachtungs- und Verpflegungskosten angefallen wären. Es hätte im maßgeblichen Zeitraum zudem im näheren Einzugsgebiet kostengünstigere Präsenzseminare gegeben. Die PV meint, sie müsse sich nicht auf ein Webinar verweisen lassen. An näheren Orten gehaltene Präsenzseminare wären u.a. wegen Urlaub nicht in Betracht gekommen. Die PV begehrt, die Arbeitgeberin zu verpflichten, sie von den Schulungs-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten für das Seminar in Potsdam freizustellen.

Gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG hat die Arbeitgeberin die Kosten zu tragen, die anlässlich der Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG entstanden sind, sofern das bei der Schulung vermittelte Wissen für die Betriebsratsarbeit erforderlich ist. Dies ist hier inhaltlich zu bejahen.

Auf ein Webinar anstelle einer Präsenzveranstaltung musste die PV sich nicht verweisen lassen. Bei der Prüfung der Erforderlichkeit hat sie die betriebliche Situation und die mit dem Besuch der Schulungsveranstaltung verbundenen finanziellen Belastungen der Arbeitgeberin zu berücksichtigen. Allerdings ist ihr bei der Seminarauswahl ein Beurteilungsspielraum zuzugestehen. Nur wenn mehrere gleichzeitig angebotene Veranstaltungen nach Ansicht der PV innerhalb dieses Beurteilungsspielraums als qualitativ gleichwertig anzusehen sind, kommt eine Beschränkung der Kostentragungspflicht der Arbeitgeberin auf die Kosten des preiswerteren Seminars in Betracht. Es hält sich derzeit innerhalb des Beurteilungsspielraums der PV, wenn sie selbst ein inhaltlich gleiches Webinar mit einer entsprechenden Präsenzveranstaltung nicht für qualitativ vergleichbar erachtet.

Lerneffekt höher

Die Einschätzung der PV, dass der „Lerneffekt“ im Rahmen einer Präsenzveranstaltung deutlich höher ist als bei einem Webinar, ist nicht zu beanstanden. Ein Austausch und eine Diskussion über bestimmte Themen sind bei einem Webinar in weitaus schlechterem Maße möglich als bei einer Präsenzveranstaltung. Insoweit stellt sich das Webinar eher als „Frontalunterricht“ dar, was wohl auch daran liegen dürfte, dass die Hemmschwelle, sich online an Diskussionen zu beteiligen, weitaus höher ist, als bei einem Präsenzseminar.
(LAG Düsseldorf v. 24.11.2022 – 8 TaBV 59/21)


Energiekrise und Mitbestimmung des Betriebsrats

2023 / Monat Februar

Einige praktische Hinweise

Mit der „Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über kurzfristig wirksame Maßnahmen“ (EnSikuMaV) ist vorgegeben, die Raumtemperaturen bei sitzenden Tätigkeiten von +20oC auf 19oC abzusenken, bei Arbeiten im Stehen, Gehen von +19 auf +18 (ausgenommen medizinische Einrichtungen, Pflegeeinrichtungen, Kindertagesstätten). Werden diese Mindestwerte nicht erreicht, sind mit Zustimmung des Betriebsrates weitere Maßnahmen zu treffen (Radiatoren, Aufwärmzeiten, Fleecejacken oder Decken). Maßnahmen zur Verringerung der Belastung bei Hitze oder Kälte sind gem. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitbestimmungspflichtig.
Ob auch eine Verpflichtung zum Angebot auf Home-Office besteht, ist umstritten, wird aber im Fall, dass sonst kein adäquater Arbeitsplatz nach Arbeitsschutzbestimmungen angeboten werden kann, zu bejahen sein.

Wenn das Gas ausbleibt…
In einem möglichen Horror-Szenario, z.B. eines „Black Outs“ geht es um die rechtlichen Fragen von Betriebs- und Wirtschaftsrisiko. Kann keine Arbeit geleistet werden, trägt gem. § 615 S. 3 BGB der Arbeitgeber das Risiko, die Arbeitnehmer weiter bezahlen zu müssen. Dies gilt jedenfalls, soweit nicht, wie in der Corona-Pandemie behördliche Betriebsschließungen erfolgen.
Sollte die Dramatik zunehmen, ist ebenso an Kurzarbeit oder Betriebsferien zu denken. Hier besteht ein vollständiges Mitbestimmungsrecht. Würde z.B. der „Notfallplan Gas“ ausgerufen, sind Voraussetzungen zum Anspruch auf Kurzarbeitergeld („unabwendbares Ereignis“) erfüllt.


„Wegeunfall“ – Unfallversicherung schützt auch vom sog. drittem Ort aus

2021 / Monat Oktober

Unfallversicherungsschutz vom BSG bestätigt

In zwei Urteilen vom 30.1.2020 hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass für die Bewertung des Schutzes in der Gesetzlichen Unfallversicherung im Fall der Wegeunfälle von einem sog. dritten Ort keine einschränkenden Kriterien mehr gelten. Ein dritter Ort liegt dann vor, wenn der Arbeitsweg nicht von der Wohnung aus angetreten wird, sondern von einem anderen Ort, oder wenn der Arbeitsweg nicht an der Wohnung, sondern an einem anderen Ort endet. Erfasst sind z.B. die Wohnung von Freunden, Partnern oder Verwandten. (BSG v. 30.1.2020 – B 2 U 2/18 R)



Bußgeld wegen computergesteuerter Diskriminierung

2021 / Monat Oktober

…das wird teuer

Der Arbeitgeber hatte auch keine Vorkehrungen getroffen, um die Genauigkeit und Fairness der Ergebnisse zu gewährleisten, die dann zur Bewertung der Fahrerleistungen herangezogen wurden. In manchen Fällen wurden Fahrer durch eine automatisiert getroffene Entscheidung von der Plattform ausgeschlossen, ohne diese Entscheidung anfechten zu können.

Im Dezember 2020 hatte das Arbeitsgericht Bologna den britischen Lieferdienst Deliveroo wegen der Verletzung von Arbeitnehmerrechten und Diskriminierung durch einen Algorithmus zu Schadensersatz verurteilt. Ein ähnliches Urteil erging im Februar 2021 vom Bezirksgericht Amsterdam gegen den Transportdienst Uber (Quelle: EBR-News).


Äußerungen im WhatsApp-Chat als Kündigungsgrund?

2021 / Monat Oktober

Vertraulichkeit im kleinen Kreis

Der Arbeitgeber, ein Verein der überwiegend in der Flüchtlingshilfe tätig ist und von vielen Ehrenamtlichen unterstützt wird, erhielt Kenntnis über einen bei WhatsApp geführten Chat. Dort äußerten sich der technische Leiter ebenso wie andere Beschäftigte in menschenverachtender Weise über Geflüchtete und herabwürdigend über Helferinnen und Helfer. Hierüber wurde auch in der Presse berichtet. Daraufhin kündigte der Verein u.a. das Arbeitsverhältnis mit dem technischen Leiter fristgemäß.

Das LAG hat die Kündigung für unwirksam erklärt aber das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst.

Die Begründung des Gerichts

„Zwar ist eine gerichtliche Verwertung der gefallenen Äußerungen im Gerichtsverfahren zulässig. Eine die Kündigung rechtfertigende Pflichtverletzung kann jedoch nicht festgestellt werden, weil eine vertrauliche Kommunikation unter den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts fällt. Um eine solche geht es hier, da diese in sehr kleinem Kreis mit privaten Handys erfolgt und erkennbar nicht auf Weitergabe an Dritte, sondern auf Vertraulichkeit ausgelegt gewesen ist. Besondere Loyalitätspflichten bestehen nicht, weil der Gekündigte als technischer Leiter keine unmittelbaren Betreuungsaufgaben wahrzunehmen hat.“

Auflösung Arbeitsverhältnis

Das Arbeitsverhältnis wurde dennoch auf Antrag des Vereins gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst. Die Voraussetzungen einer ausnahmsweise möglichen gerichtlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses liegen hier vor. Es ist i.S.d. § 9 Kündigungsschutzgesetz keine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit zu erwarten. Da die schwerwiegenden Äußerungen öffentlich bekannt geworden sind, kann der Verein bei Weiterbeschäftigung dieses technischen Leiters nicht mehr glaubwürdig gegenüber geflüchteten Menschen auftreten. Außerdem wäre er bei der Gewinnung ehrenamtlicher Unterstützung und hauptamtlichen Personals beeinträchtigt. Bei der Bemessung der Abfindung hat das LAG ein Auflösungsverschulden des Gekündigten berücksichtigt, das sich allerdings wegen der intendierten Vertraulichkeit der Äußerungen mindert. (LAG Berlin-Brandenburg v. 19.7.2021 – 21 Sa 1291/20)


Einigungsstelle für Home Office-Regelungen zuständig

2021 / Monat Oktober

LAG Köln bestätigt Mitbestimmung
Geregelt werden sollten Bedingungen des mobilen Arbeitens unter den Aspekten des Arbeitsschutzes, der Arbeitszeitfestlegung, des Einsatzes von Überwachungstechnik, der betrieblichen Berufsbildung und der Aufstellung von Beurteilungsbedingungen (LAG Köln v. 23. 04.2021 – 9 TaBV 9/21)


Wahlordnung zur Wahl des Betriebsrates geändert

2021 / Monat Oktober

Für den Wahlvorstand sind ab sofort auch Sitzungen und Beschlussfassungen per Video- oder Telefonkonferenz möglich. Ob und in welchem Umfang davon Gebrauch gemacht wird, entscheidet allein der Wahlvorstand. Der Arbeitgeber ist nicht berechtigt, die Durchführung der Sitzungen – etwa aus Kostengründen – mittels Video- und Telefonkonferenz zu verlangen.

Negativliste beachten

Allerdings gibt die Wahlordnung vor, dass für viele (sensible) Themen keine Video- oder Telefonkonferenzen in Betracht kommen (sog. Negativliste), wie z.B. die Prüfung oder Nachprüfung eingereichter Vorschlagslisten, die eigentliche Stimmauszählung, die Bearbeitung der Briefwahlunterlagen oder die Erste Wahlversammlung im vereinfachten zweistufigen Wahlverfahren (§ 14a Abs. 1 Satz 2 BetrVG).

Wegfall der Wahlumschläge

Aus ökologischen Gründen und zwecks Vereinfachung für die Stimmauszählung entfallen ab sofort die Wahlumschläge bei der Urnenwahl. Die Geheimhaltung wird stattdessen dadurch gewährleistet, dass die Stimmzettel in der Weise gefaltet werden müssen, dass nicht erkennbar ist, wie gewählt wurde. Nur die Briefwahlstimmen kommen in einen Umschlag.

Erweiterung der Briefwahl

Ab sofort darf der Wahlvorstand Beschäftigten, die längere Zeit nicht im Betrieb anwesend sind (Langzeitkranke, Elternzeiter etc.) ohne gesondertes Verlangen die Wahlunterlagen zusenden, wenn dem Wahlvorstand bekannt ist, dass diese Wahlberechtigten bis zum Wahltag voraussichtlich nicht anwesend sein werden.

Schulungen

Unsere Tagesschulungen für Wahlvorstände veranstalten wir am 02. Dez. und 12. Jan. im Adina Hotel am Michel in Hamburg.


Schulungsanspruch – BR bei der Auswahl frei

2021 Ausgabe 1 Monat Juni

Dass heißt: Es muss nicht „das Billigste“ genommen werden.
Der Streit bestand zwischen dem Betriebsrat eines Möbelhauses und dem Arbeitgeber. Es ging um die Kosten für ein Seminar Betriebsverfassung 1 für 3,5 Tage 3.390,00 € Seminargebühren, Übernachtungskosten in Höhe von 1.365,00 € und Tagungspauschalen in Höhe von 914,65 €. Der Arbeitgeber verlangte, zur Kostenersparnis ein Inhouse-Seminar durchzuführen.

Argumentation Betriebsrat

Der Betriebsrat argumentierte, bei einer Schulung im Haus sei keine ungestörte Teilnahme möglich, da der Schulungsraum zu hellhörig sei und sich direkt bei der Geschäftsleitung befinde. Auch bestehe die Gefahr, dass die Schulungsteilnehmer durch Telefonanrufe gestört würden, wie es bei Betriebsratssitzungen regelmäßig geschehe. Zudem sei bei dem angebotenen Inhouse-Seminar nur ein Referent vorgesehen, während bei den externen Schulungen Richter und Anwälte Referenten seien. Außerdem sei auch ein Besuch des Arbeitsgerichts vorgesehen.

Gerichtsbeschluss zum Schulungsanspruch

Das Gericht stellte mit Hinweis auf die BAG-Rechtsprechung fest: Der Betriebsrat hat ein Recht zur Auswahl unter konkurrierenden Angeboten. Er ist nicht gehalten, jeweils die mit den geringsten Kosten verbundene Schulungsveranstaltung auszuwählen. Außerdem soll ein Betriebsrat auch berücksichtigen können, inwieweit die angebotene Schulung eine an der Arbeitnehmersicht orientierte und praxisbezogene Schulung erwarten lässt. Der Arbeitgeber wurde verpflichtet, die gesamten Kosten der externen Schulung zu übernehmen (LAG Rheinland-Pfalz v. 20.05.2020 – 7 TaBV 11/19).


Halber Nachtarbeitszuschlag in der Schichtarbeit?

2021 Ausgabe 1 Monat Juni

 

Bundesarbeitsgericht „kippt“ Tarifregelung

Der Kläger hat gemeint, es verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz, Nachtarbeit unterschiedlich zu vergüten, wenn die Arbeit von 22:00 bis 06:00 Uhr innerhalb eines Schichtsystems geleistet wird. Bei Nachtarbeit könnten andere Umstände als der Gesundheitsschutz unterschiedlich hohe Zuschläge nicht begründen. In der Nachtschicht bestehen immer erhebliche Gesundheitsgefährdungen und Störungen des sozialen Umfelds.

Eine ungleiche tarifliche Behandlung ist nicht hinzunehmen

Das Bundesarbeitsgericht sprach, anders als das LAG Hamburg, dem Kläger den 50%-Zuschlag zu. Der Arbeitgeber hat immer für die Nachtschicht von 22:00 bis 06:00 Uhr den erhöhten Zuschlag zu zahlen. Eine ungleiche Behandlung der Arbeit, die zur selben Zeit geleistet wird (einmal nur Nachtschicht, dann Nachtschicht im Schichtsystem), ist nicht hinzunehmen. Ausdrücklich weist das BAG darauf hin, Tarifnormen sind uneingeschränkt am allgemeinen Gleichheitssatz zu messen und anzupassen. (BAG v. 09.12.2020 – 10 AZR 335/20)


Arbeitgeber trägt Betriebsrisiko in der Pandemie

2021 Ausgabe 1 Monat Juni

Eine Spielhalle war gezwungen, wegen der Corona-Schutzverordnung NRW ab März 2020 den Betrieb einzustellen. Die Klägerin, beschäftigt mit einem Stundenlohn von EUR 9,35 brutto machte nun geltend, gemäß Dienstplan im April 2020 für 62 Stunden hätte arbeiten zu können. Der Betreiber der Spielhalle hatte staatliche Ausgleichszahlungen von insg. EUR 15.000 erhalten. Das Gericht gab der Klägerin recht und verurteilte den Arbeitgeber, die Grundstunden plus Nacht- und Sonntagszuschlägen zu zahlen.

Corona-Pandemie entspricht höherer Gewalt

Der Arbeitgeber sei mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug geraten und nach der gesetzlichen Wertung des § 615 S. 3 BGB trage er das Betriebsrisiko. Bei der aktuellen Pandemie handele es sich um höhere Gewalt, wie bei Naturkatastrophen, Erdbeben oder Überschwemmungen. Auch eine staatlich verordnete Betriebsschließung zähle zum Betriebsrisiko. (LAG Düsseldorf v. 30.03.2021 – 8 Sa 674/20)
Hinweis: Leider hat das Bundesarbeitsgericht mit Entscheidung vom 04.05.2022 die Klage endgültig abgewiesen. Das BAG meinte, hier hätte sich ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht, das nicht speziell gegen den Betrieb gerichtet war.


Betriebsbedingte Kündigung wegen Corona?

2021 Ausgabe 1 / Monat April

Arbeitsgericht Berlin weist Kündigungen zurück

Das Arbeitsgericht Berlin weist vor allem darauf hin, dass gerade die Durchführung von Kurzarbeit gegen einen dauerhaft gesunkenen Beschäftigungsbedarf spricht.

Kurzfristiger Arbeitsrückgang vs dauerhafter Auftragsrückgang

Ein Arbeitgeber muss nach zutreffender Ansicht des Arbeitsgerichts auch in Zeiten der Pandemie anhand seiner Auftrags- und Personalplanung im Einzelnen darstellen, warum nicht nur eine kurzfristige Auftragsschwankung (dann wäre wohl Kurzarbeit das richtige Mittel) vorliegt, sondern ein dauerhafter Auftragsrückgang und gesunkener Personalbedarf zu erwarten ist. Wenn in einem Betrieb bereits Kurzarbeit geleistet wird, spricht dies aus Sicht des Gerichts erstmal gegen einen dauerhaft gesunkenen Beschäftigungsbedarf. Die Einführung von Kurzarbeit schließt den Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen zwar nicht automatisch aus. Allerdings muss der Arbeitgeber erklären, welche dauerhaften Ursachen neben die vorübergehenden Auswirkungen der Pandemie treten, und warum keine milderen Mittel zum Personalabbau vorhanden sind. An dieser Stelle muss der Vortrag des Arbeitgebers genau zwischen den einzelnen Ursachen unterscheiden.

Keine pauschale Begründung für Kündigung möglich

Auch die pauschale Erklärung, es habe auf Grund von Corona einen starken Umsatzrückgang gegeben und man habe nicht anders reagieren können, als zahlreiche Kündigungen auszusprechen, ist keine ausreichende Begründung zur Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung (Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 5. November 2020, Aktenzeichen 38 Ca 4569/20)


Maskenpflicht am Arbeitsplatz

2021 Ausgabe 1 / Monat April

Arbeitsgericht Berlin bestätigt Infektionsschutz

Eine Arbeitnehmerin hat geltend gemacht, bei ihrer Arbeit als Flugsicherheitsassistentin am Flughafen statt des Mund-Nasen-Schutzes einen Gesichtsschutzschirm zu tragen und so der Maskenpflicht zu folgen. Das sah das Gericht anders. Den Arbeitgeber treffe die Pflicht, die Beschäftigten und das Publikum am Flughafen vor Infektionen zu schützen. Ein Gesichtsvisier sei für den Schutz Dritter weniger geeignet als der hier vorgeschriebene Mund-Nasen-Schutz. Dass ihr das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar sei, habe die Arbeitnehmerin nicht ausreichend glaubhaft gemacht. (Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 15. Oktober 2020 – 42 Ga 13034/20)


Betriebsrat muss Verantwortung übernehmen

2021 Ausgabe 1 / Monat April

Keine Abhängigkeit von Belegschafts-Zustimmung

Die Arbeitgeberin schloss 2007 mit dem in ihrem Betrieb gebildeten Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zu variablen Vergütungsbestandteilen der im Lager beschäftigten Arbeitnehmer. Diese sollte unter der Bedingung in Kraft treten, dass ihr „80 % der abgegebenen Stimmen“ der in ihren Geltungsbereich fallenden Arbeitnehmer bis zum Ablauf einer von der Arbeitgeberin gesetzten Frist „einzelvertraglich“ schriftlich zustimmen. Für den Fall eines Unterschreitens des Zustimmungsquorums konnte die Arbeitgeberin „dies“ dennoch für ausreichend erklären. Der Betriebsrat hat die Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung geltend gemacht.


Nachdem die Vorinstanzen das Begehren abgewiesen haben, hatte die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die normative Wirkung einer Betriebsvereinbarung kann nicht von einem Zustimmungsquorum der Belegschaft abhängig gemacht werden.

Strukturprinzip Betriebsverfassung bestätigt abgeschlossene Betriebsvereinbarung


Eine solche Regelung widerspricht den Strukturprinzipien der Betriebsverfassung. Danach ist der gewählte Betriebsrat Repräsentant der Belegschaft. Er wird als Organ der Betriebsverfassung im eigenen Namen kraft Amtes tätig und ist weder an Weisungen der Arbeitnehmer gebunden noch bedarf sein Handeln deren Zustimmung.

Eine von ihm abgeschlossene Betriebsvereinbarung gilt kraft Gesetzes unmittelbar und zwingend. Damit gestaltet sie unabhängig vom Willen oder der Kenntnis der Parteien eines Arbeitsvertrags das Arbeitsverhältnis und erfasst auch später eintretende Arbeitnehmer. Das schließt es aus, die Geltung einer Betriebsvereinbarung an das Erreichen eines Zustimmungsquorums verbunden mit dem Abschluss einer einzelvertraglichen Vereinbarung mit dem Arbeitgeber zu knüpfen. (Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 28. Juli 2020 – 1 ABR 4/19 )


Kein Urlaub bei Kurzarbeit „Null“?

2021 Ausgabe 1 / Monat April

LAG Düsseldorf prescht vor

In dem Fall ging es um eine in Teilzeit beschäftigte Verkaufshilfe, die während der Coronapandemie von April bis Dezember immer wieder und den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 in „Kurzarbeit Null“ war. Der Arbeitgeber war der Ansicht, in den Monaten der „Kurzarbeit Null“ sei die Arbeitnehmerin nicht verpflichtet gewesen zu arbeiten, daher habe sie auch keine Urlaubsansprüche erworben.

Die Betroffene argumentierte, man könne Kurzarbeit Null nicht mit Freizeit gleichsetzen, sie hätte auch Meldepflichten zu erfüllen und zudem könne der Arbeitgeber die Kurzarbeit kurzfristig vorzeitig beenden, sodass es Arbeitnehmern nicht möglich sei, die freie Zeit zu verplanen. 

Das Urteil

Das LAG gab dem Arbeitgeber recht. Das Gericht begründete dies damit, dass es der Zweck des Erholungsurlaubs sei, dass der Arbeitnehmer sich erholen muss. Dies setze eine Verpflichtung zur Tätigkeit voraus. Während der Kurzarbeit seien die beiderseitigen Leistungspflichten aufgehoben, daher müssten Kurzarbeiter wie vorübergehend teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer behandelt werden. Hier sei anerkannt, dass deren Erholungsurlaub anteilig zu kürzen ist. Außerdem bezog sich das Gericht auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), das ebenso argumentiert hatte.

Betriebsvereinbarung geht vor

Wir haben in unserer Beratung immer auf diesen wichtigen Punkt hingewiesen und wissen, dass die meisten Betriebsräte bei der Kurzarbeit-BV hierauf geachtet haben. In einer BV konnte vereinbart werden, dass keine Urlaubs-Kürzung erfolgt, auch nicht bei Kurzarbeit Null.


Entwurf „Betriebsrätestärkungsgesetz“

2021 Ausgabe 2 / Monat Februar, 2021 Ausgabe 2 Monat Februar

Wichtig für Betriebsrätinnen und Betriebsräte:

folgende Regelungen sind geplant

  • Das vereinfachte Wahlverfahren wird sowohl für die Wahl des Betriebsrats als auch für die Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung ausgeweitet.
  • Der besondere Kündigungsschutz für die Initiatoren einer Betriebsratswahl wird ausgeweitet.
  • Die Altersgrenze für Auszubildende bei der Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung wird gestrichen.
  • Das allgemeine Initiativrecht der Betriebsräte bei der Berufsbildung wird ausgeweitet und die Einschaltung der Einigungsstelle zur Vermittlung ermöglicht.
  • Im Hinblick auf die Einbindung des Betriebsrats beim Einsatz von KI und von Informations- und Kommunikationstechnik im Betrieb wird 
    • festgelegt, dass die Hinzuziehung eines Sachverständigen für Informations- und Kommunikationstechnik für den Betriebsrat als erforderlich gilt,
    • klargestellt, dass die Rechte des Betriebsrats bei der Planung von Arbeitsverfahren und -abläufen auch dann gelten, wenn der Einsatz von KI im Betrieb vorgesehen ist,
    • sichergestellt, dass die Rechte des Betriebsrats bei der Festlegung von Auswahlrichtlinien zur Personalauswahl auch dann Anwendung finden, wenn diese Richtlinien ausschließlich oder mit Unterstützung einer KI erstellt werden.
  • Betriebsräte erhalten die Möglichkeit, unter ausschließlich selbst gesetzten Rahmenbedingungen und unter Wahrung des Vorrangs der Präsenzsitzung, Sitzungen mittels Video- und Telefonkonferenz durchzuführen.
  • Es wird klargestellt, dass Betriebsvereinbarungen unter Nutzung einer qualifizierten elektronischen Signatur abgeschlossen werden können.
  • Bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Betriebsrat ist der Arbeitgeber der für die Verarbeitung Verantwortliche im Sinne der datenschutzrechtlichen Vorschriften, soweit die Verarbeitung durch den Betriebsrat zur Erfüllung der in seiner Zuständigkeit liegenden Aufgaben erfolgt.
  • In § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG wird ein neues Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit eingeführt.

Mitbestimmung bei „Mindest-Personalbesetzung“

2021 Ausgabe 2 / Monat Februar

Mitbestimmung bei „Mindest-Personalbesetzung“

LAG Hamburg geht weiter als das BAG

In dem Fall hatte bereits im Jahr 2009 ein Gutachter festgestellt, dass die Arbeit von Ärzten und Personal unter Zeitdruck als Stressfaktor zu werten ist, der zu psychischer Ermüdung führen kann. In einer Einigungsstelle zur Gefährdungsbeurteilung wurden deshalb eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, auch die Erhöhung der Stellenzahl.

Die Arbeitgeberin focht diesen Teil-Spruch der Einigungsstelle wegen Ermessens-Überschreitung an, verlor damit aber in zweiter Instanz.

Das LAG stellte insbesondere heraus, die Einigungsstelle greife durch den Spruch nicht unzulässig in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit ein. Das BAG habe bereits in seiner Entscheidung vom 31.08.1982 (1 ABR 27/80) die Auffassung vertreten, die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats stünden nicht unter dem allgemeinen Vorbehalt, dass durch sie nicht in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit eingegriffen werden dürfe. So sei in einem Kaufhaus vom Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auch eine Arbeitszeitregelung gedeckt, welche die Ausschöpfung der gesetzlichen Ladenschlusszeiten unmöglich mache.

 

Personalplanung eines Arbeitgebers ist nicht absolut frei

Dass die Personalplanung eines Arbeitgebers nicht absolut frei sein könne, werde besonders deutlich, wenn man berücksichtige, dass der Begriff nicht nur die abstrakte Bedarfsplanung beinhalte, auf welche die Arbeitgeberseite ihren Blick beschränke, sondern auch die Festlegung von Anforderungsprofilen, die Personalbeschaffungsplanung und die Personaleinsatzplanung.

Beteiligungsrecht des Betriebsrates

In den meisten dieser Bereiche werde das Beteiligungsrecht des Betriebsrats nach § 92 BetrVG durch besondere Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte ergänzt. Nach § 93 BetrVG könne der Betriebsrat die Öffnung des innerbetrieblichen Arbeitsmarkts erzwingen. Nach § 94 Abs. 1 BetrVG bedürfen Personalfragebögen und nach § 95 Abs. 1 BetrVG Auswahlrichtlinien der Zustimmung des Betriebsrats, wobei letztere in Betrieben mit mehr als 500 Beschäftigten sogar gegen den Willen des Arbeitgebers eingeführt werden könnten.

Gehe die Personalbeschaffung mit Maßnahmen des Arbeitgebers zur Berufsbildung einher, stünden dem Betriebsrat die Rechte der §§ 96-98 BetrVG zur Seite bis hin zur gleichberechtigten Mitwirkung an der Entscheidung, welche Mitarbeiter an Maßnahmen der betrieblichen Fortbildung teilnehmen sollen. Die Personaleinsatzplanung löse, sobald sie in personellen Einzelmaßnahmen münde, die Rechte des Betriebsrats gemäß § 99 BetrVG aus, was im Einzelfall dazu führen könne, dass der Arbeitgeber daran gehindert werde, seine Personalplanung umzusetzen. Da das LAG von den Ausführungen des Gutachters überzeugt war, wurde festgestellt: Aus Gründen des Gesundheitsschutzes könne eine konkrete Personalbemessung durch eine Einigungsstelle festgelegt werden.

(LAG Hamburg, Beschluss vom 16.07.2020, 8 TaBV 8/19)


„Kamera im Home-Office ein oder aus?“

2021 Ausgabe 2 / Monat Februar

 

Videokonferenzen im Home-Office und das Persönlichkeitsrecht

worüber Juristen streiten können…

So wird ernsthaft argumentiert, das Weisungsrecht nach § 106 Gewerbeordnung umfasst schließlich auch den „Inhalt“ der Arbeitsleistung. Dagegen steht natürlich, gerade bei arbeitenden Mitarbeitern im Home-Office weitere Umstände zu berücksichtigen. Die Mitarbeiter befinden sich in ihrem privaten Umfeld. Gerade während der Pandemie arbeiten die Mitarbeiter zum Teil unter nicht optimalen Bedingungen, z.B. im Wohnzimmer oder am Küchentisch. Das führt etwa dazu, dass Einrichtungsgegenstände, Bilder, Haustiere oder sogar Familienangehörige im Bild zu sehen sind. In diesem Fall wird durch die Bildübertragung weitergehend in das Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter eingegriffen.

Hier wäre zu fragen, ob eine Videokonferenz wirklich erforderlich (vgl. § 26 Abs. 1 BDSG) ist oder nicht auch eine einfache Telefonkonferenz ausreicht. Selbst wenn sich dieses Problem durch „Weichzeichner“, die den Hintergrund austauschen, lösen lässt, bleibt noch das „Recht am eigenen Bild“. …und schließlich könnten Videositzungen natürlich auch (unberechtigterweise) aufgezeichnet werden.

Wie gut, dass es Betriebsräte gibt, die für solche „Ordnungsfragen“ zuständig sind.


Corona-Gefährdung muss dokumentiert werden

2021 Ausgabe 2 / Monat Februar

Anspruch auf Anpassung der Corona-Gefährdungsbeurteilungen

In einer von unserem Büro durchgesetzten Entscheidung hat das Arbeitsgericht Hamburg dem Arbeitgeber aufgegeben, bestehende Gefährdungsbeurteilungen zu aktualisieren. Es sind die erforderlichen Maßnahmen nach den neuen SARS-CoV-2 Arbeitsschutzregeln aufzunehmen (ArbG Hamburg v. 22.12.2020 – 9 BVGa 3/20).

Das bedeutet, es muss alles dokumentiert werden: Abstandsregeln, Trennwände, kleinere Arbeitsgruppen, Home office-Möglichkeiten, max. eine Person pro 10qm, sonst Maskenpflicht, also alles, was sich inzwischen aus der neuen Verordnung aus dem Bundesministerium für Arbeit ergibt.



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