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Schlagwort-Archiv: Betriebsratssitzung

Betriebsrats-Sitzung – präsent, digital oder hybrid?

Während der ersten Lockdowns hatte der Gesetzgeber den Betriebsräten gem. § 129 BetrVG befristet die Durchführung digitaler Sitzungen ermöglicht. Zwischenzeitlich liefert das sog. Betriebsrätemodernisierungsgesetzes die Möglichkeit, virtuelle Betriebsratssitzungen dauerhaft durchzuführen. Aber gilt dies auch für Hybrid-Sitzungen?

Regelfall Präsenz

Im Regelfall müssen Betriebsratssitzungen in Präsenz stattfinden. Der § 30 Abs. 1 BetrVG Satz 5 stellt dies eindeutig klar. Sie ist gegenüber einer mittels Video- und Telefonkonferenz durchgeführten Betriebsratssitzung vorzuziehen, da Körpersprache, Mimik oder Gestik in digitaler Form nicht in gleicher Weise wahrgenommen werden können. Auch geht es um den notwendigen Austausch untereinander.

Ausnahmen regeln

Lediglich als Ausnahme sieht das Gesetz jetzt vor, Sitzungen auch online abzuhalten, wenn
1. die Voraussetzungen für eine solche Teilnahme in der Geschäftsordnung unter Sicherung des Vorrangs der Präsenzsitzung festgelegt sind,
2. nicht mindestens ein Viertel der Mitglieder des Betriebsrats binnen einer vom Vorsitzenden zu bestimmenden Frist diesem gegenüber widerspricht und
3. sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können.
Zwar wird im Gesetz über sog. Hybrid-Sitzungen nicht gesprochen, aber auch solche Sitzungen (teilweise anwesend, teilweise online oder per Telefon) unterliegen denselben Voraussetzungen. Immer ist in der Geschäftsordnung aufzunehmen, welche Grüne für eine online- oder Telefon-Teilname sprechen sollen. Dies kann z.B. sein, dass die epedemische Lage weiter besteht (wie aktuell mit hohen Inzidenzen) oder es gar Impf-Verweigerer im Gremium gibt. Ein aufgetretener Corona-Fall in der Familie kann gleichfalls ein Hinderungsgrund sein. Keine ausreichende Voraussetzung ist dagegen, sich die Fahrt zum Betrieb ‚ersparen‘ zu wollen, weil es aus dem Home office heraus doch viel einfacher geht.

Geltung auch für Ausschüsse und JAV

Die Möglichkeit virtueller Sitzungsteilnahme gilt übriges nicht nur für den Betriebsrat, sondern auch für den Gesamt- und Konzernbetriebsrat, die Jugend- und Auszubildendenvertretung, die Gesamt- und Konzern-Jugend- und Auszubildendenvertretung sowie den Wirtschaftsausschuss. Auch Ausschüsse und Arbeitsgruppen nach § 28a BetrVG können online tagen.
Der Betriebsrat muss sich allerdings nicht unter Druck gesetzt fühlen, jetzt immer online zu tagen. Hier kann der Arbeitgeber gerade nicht auf eine solche digitale Möglichkeit verweisen, wie § 30 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG bewusst ausführt, sind selbst Ausnahmen „unter Sicherung des Vorrangs der Präsenzsitzung“ festzulegen. Es bleibt also immer in der Hand des/der Vorsitzenden, die Art der Durchführung der Sitzung festzulegen.

Wolfgang Steen, Fachanwalt für Arbeitnehmer
Rechtsanwälte Gaidies Heggemann & Partner, Hamburg


Demnächst BR-Videositzungen?

Weißbuch 4.0 enthält Vorschläge

Ob BR- und vor allem GBR/KBR-Sitzungen per Videokonferenz durchgeführt werden können, ist ein immer wieder auftretendes Thema. Das deutsche BetrVG lässt dies wegen der Präsenzpflicht nicht zu (§ 33 „Beschlussfassung der anwesenden Mitglieder“). Laut Weißbuch der Bundesregierung könnte sich das ändern.

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Betriebsratsarbeit ist Arbeitszeit

Anspruch auf 11stündige Ruhezeit

Ein immer wieder kehrender Streit dreht sich um die Frage, ob Betriebsratsarbeit als Arbeitszeit zu werten ist und hierfür die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes greifen. Das BAG erkennt jetzt den Anspruch auf 11-stündige Ruhezeit vor der BR-Sitzung ausdrücklich an.

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Anspruch auf Ruhezeit vor Betriebsratssitzung – durch Verkürzung der Nachtschicht

Der Fall: Der Kläger arbeitet im Rahmen einer 35-Stunden-Woche als Anlagenbediener. Die Arbeit findet im Dreischichtbetrieb statt. Er ist Mitglied des elfköpfigen Betriebsrats, der im Betrieb seiner Arbeitgeberin besteht. Im Betrieb gilt ein Haustarifvertrag, der im Wesentlichen auf die Tarifverträge für die Metall- und Elektroindustrie NRW verweist. Der Kläger verlangte von seiner Arbeitgeberin, ihn vor einer Betriebsratssitzung mit einer Pausenzeit von 10 Stunden freizustellen und ihm gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG die Ausgleichszeit gutzuschreiben. Die Arbeitgeberin wollte dem Kläger nur acht Stunden zugestehen. Der Betriebsratskollege erhob Klage, er ist der Meinung, ihm müsse auch die Zeit der Vorbereitung auf die Sitzung gutgeschrieben werden.
Das Urteil: Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm entschied, dass die Arbeitgeberin dem Kläger auf seinem individuellen Arbeitszeitkonto 4,5 Stunden gutzuschreiben hat. Gemäß § 5 Abs. 1 des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine elfstündige Ruhezeit zwischen zwei Schichten. Bei der Festlegung der Freistellungsansprüche und Ausgleichszeit im Sinne von § 37 Abs. 2 BetrVG sei zu prüfen, ob wegen einer bevorstehenden Betriebsratstätigkeit die Erbringung der Arbeitsleistung ganz oder teilweise unzumutbar ist.
Dabei sei der Schutzzweck des § 5 Abs. 1 ArbZG zu beachten, wonach die elfstündige ununterbrochene Ruhezeit der angemessenen Entspannung und Erholung sowie der Entfaltung der Persönlichkeit außerhalb des Berufslebens dient. Es sei daher nicht zu beanstanden, wenn der Kläger zur Gewährleistung der individuell für ihn notwendigen Zeiten der Entspannung und Erholung insgesamt 10 Stunden in Anspruch genommen hat, bevor er an einer Betriebsratssitzung teilnahm.
10 Stunden vor Sitzungsbeginn ist Arbeitsende
Das Gericht geht davon aus, dass die Sitzung und Betriebsratstätigkeit den Kläger hinsichtlich des Grades der Aufmerksamkeit und der geistigen Leistungsfähigkeit vergleichbar gefordert haben wie seine Tätigkeit als Anlagenbediener. Für den Kläger war es folglich im Sinne des § 37 Abs. 2 BetrVG erforderlich, bereits 10 Stunden vor Beginn der Sitzung die Arbeit zu beenden, um seine Amtsaufgaben, insbesondere die Sitzung von zweieinhalbstündigen Betriebsratssitzung teilzunehmen. Deshalb konnte die Nachtschicht bereits um 03.00 Uhr beendet werden. (Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig; LAG Hamm, Urteil vom 20.02.2015
Aktenzeichen 13 Sa 1386/14)



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