Mit  der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 17.10.2018 (5 AZR 553/17) erfolgte ein grundlegender Umschwung in der Rechtsprechung. ALLE Reisezeiten, die ein Arbeitnehmer für seine Firma unternimmt, sind vergütungspflichtige Arbeitszeit. Meist stellen sich folgende Fragen:
1. Aber was ist mit der 10-Stunden-Begrenzung?
Dazu hat sich das BAG nur am Rande geäußert und ausgeführt, die arbeitszeitrechtliche Einordnung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG ist für die Vergütungspflicht unerheblich. Im Klartext: Natürlich werden Reisezeiten (evtl. plus Arbeitszeiten) auch die 10-Std.-Grenze überschreiten können.
2. Welche Zeiten genau sind gemeint?
Alle Reisezeiten bedeutet, „der mit der Beförderung zwingend einhergehende weitere Zeitaufwand“, also z.B. bei Flugreisen die Wegezeiten zum und vom Flughafen sowie die Zeiten für Einchecken und Gepäckausgabe. Natürlich müssen solche Wegezeiten abgerechnet werden, die als Zeiten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erspart werden. Im Klartext: Der Arbeitnehmer verlässt das Haus Richtung Flughafen/Bahnhof und es zählt die Zeit bis zur Ankunft im Hotel oder am Arbeitsplatz am Zielort.
3. Muss die Reise angeordnet worden sein?
Ja, wobei es auch möglich ist, dass der Arbeitgeber das Reisemittel vorgibt. Das BAG hat aber auch gesagt, weicht der Arbeitnehmer von der vorgegebenen Route ab (im Streitfall Business satt Economy und damit eine längere Flugzeit), kann nur der kürzeste Reiseweg verlangt werden.
Übrigens zählt das Führen eines Pkw weiterhin auch zur Arbeitszeit nach Arbeitszeitgesetz (ArbZG), mit Auswirkungen auf die maximale Tages-Arbeitszeit sowie die Ruhenszeiten.
4. Kann nach einem Flug die Ruhenszeit beansprucht werden?
Das BAG hat sich zur Einordnung der Reisezeit in das Arbeitszeit-Recht nicht geäußert. Hier dürfte es also eher um Fragen der Zumutbarkeit gehen. Ob nach einem 10 Std.-Flug nach China wirklich sofort „gearbeitet“ werden kann, ist also noch nicht entschieden.
5. In welcher Höhe kann Vergütung verlangt werden?
„Mit der Einordnung des Reisens als Arbeit und damit Teil der iSv. § 611 Abs. 1 BGB versprochenen Dienste ist nicht geklärt, wie die dafür vom Arbeitnehmer aufgewendete Zeit zu vergüten ist“, so das BAG. Auch kann durch Arbeits- oder Tarifvertrag eine gesonderte Vergütungsregelung „für eine andere als die eigentliche Tätigkeit und damit auch für Reisezeiten getroffen werden“. Im Klartext: Eine niedrigere Vergütung der Reisezeiten ist möglich, muss aber vereinbart sein. Ob dies auch durch Betriebsvereinbarungen möglich ist, hatte das BAG nicht zu entscheiden.
6. Können denn auch Überstunden-Zuschläge verlangt werden?
Auch diese Frage ist nicht geklärt und hat in dem Urteil keine Rolle gespielt (der Kläger hatte die Frage der Zuschläge in den weiteren Instanzen nicht weiter verfolgt). Ist aber schon die Frage nach der Höhe der Vergütung offen geblieben, bleibt die Frage nach Zuschlägen letztlich auch Verhandlungssache.
7. Müssen also die Reisezeiten bezahlt oder gutgeschrieben werden?
Wenn (typischerweise) Arbeitszeit- oder Gleitzeitkonten existieren, kann natürlich die Gutschrift auf solchen Konten vorgenommen werden. Vorsicht ist nur angebracht, falls dort bestimmte Grenzwerte vereinbart sind. Dann sollte zwischen „aktiver“ und „passiver“ Arbeitszeit unterschieden werden.

Autor: Fachanwalt für Arbeitsrecht Wolfgang Steen, steen@gsp.de