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2014 Ausgabe 6 / Monat Dezember

Telearbeit – Widerruf ist „Versetzung“

Der Kläger war bei einer überregional tätigen Bank, zuletzt als Firmenkundenbetreuer tätig. Die Parteien vereinbarten im Jahr 2005 alternierende Telearbeit. Ausweislich dieser Vereinbarung war der Kläger zu mindestens 40% an der häuslichen Arbeitsstätte tätig. Die betriebliche Arbeitsstätte war die Niederlassung der Bank, die je nach Verkehrsweg 70 bis 90 km vom Wohnort des Klägers entfernt lag. In der Vereinbarung zur Telearbeit hieß es, dass ein Rechtsanspruch auf einen alternierenden Telearbeitsplatz nicht begründet wird. Weiter war vereinbart, dass die häusliche Arbeitsstätte von beiden Parteien mit einer Ankündigungsfrist von vier Wochen aufgegeben werden kann. Nachdem die Parteien im Herbst 2013 erfolglos über die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses verhandelt hatten, kündigte die Beklagte die Vereinbarung der Telearbeit. Dabei beteiligte sie den Betriebsrat nicht.
Das LAG stellte hauptsächlich darauf ab, ein Widerruf müsse auch die Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigen. Außerdem sei der Betriebsrat zu hören gewesen, weil die Einbindung des Arbeitnehmers in den Betriebsablauf und die Aufgabenerfüllung bei teilweiser Telearbeit eine völlig andere ist, als ohne Telearbeit. Die Entscheidung ist nicht endgültig, Revision zum BAG wurde zugelassen. (LAG Düsseldorf, 10.09.2014, 12 Sa 505/14)


Spielsüchtiger Arbeitnehmer kündbar? … nach insg. 33 Kündigungen

Die insgesamt veruntreute Summe beläuft sich auf mehr als 100.000 Euro. Deshalb die Kündigungen.
Der Arbeitnehmer hat die ihm zur Last gelegten Taten ein-geräumt, aber die Ansicht vertreten, die Gemeinde habe ihm gleichwohl nicht kündigen dürfen. Aufgrund seiner Spielsucht fehle ihm die Impuls- und Steuerungsfähigkeit, so dass ihm die Handlungen nicht vorwerfbar seien. Entsprechend einer bei ihr geltenden „Dienstvereinbarung Sucht“ sei die Gemeinde verpflichtet gewesen, vor dem Ausspruch einer Kündigung zunächst ein abgestuftes Verfahren, bestehend aus Erstgespräch, Zweitgespräch, Ermahnung, 1. Abmahnung und weiterer Abmahnung, zu durchlaufen. Die Gemeinde, für die seine Spielsucht offensichtlich gewesen sei, habe ihre Kontroll- und Überwachungspflichten verletzt.
Das ArbG Düsseldorf (2 Ca 3420/14) hat die gegen die Kündigungen gerichtete Klage abgewiesen und bereits die erste Kündigung als wirksam erachtet.
Nach Auffassung des ArbG ist die „Dienstvereinbarung Sucht“ nicht einschlägig. Die Auslegung der Vereinbarung ergebe, dass das darin geregelte abgestufte Sanktionsverfahren Pflichtverletzungen wie z.B. Verspätungen oder qualitative Fehlleistungen betreffe, die auf typischen, suchtbedingten Ausfallerscheinungen beruhten, nicht aber strafbare Handlungen.


Winterreifenwechsel – keine Arbeitszeit über 10 Std. – Ausnahmen nicht möglich

„Ausgangspunkt ist die Zielsetzung des § 1 ArbZG, der Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer. Relevant für die Auslegung sind auch die unionsrechtlichen Vorgaben nach Art. 17, 18 der RL 2003/88/EG. Danach müssen Abweichungen von den allgemeinen Arbeitszeitregelungen auf das unbedingt Erforderliche begrenzt werden. Ausnahmsweise kann die zuständige Arbeitsschutzbehörde in außergewöhnlichen Fällen, insbesondere Notfällen die Arbeitszeitgrenzen verlängern, § 14 Abs. 1 ArbZG. Ein solcher Notfall lag im konkreten Fall aber nicht vor.
Die Leistungsgrenze für körperlich anstrengende Montagearbeiten mit Blick auf die Hand- und Arm-Vibrationsbedingungen durch die Schlagschrauber ist – nach Erkenntnissen der Berufsgenossenschaft – nach sieben Stunden erreicht.“ Es könnten – so das Gericht – auch andere organisatorische Maßnahmen, wie etwa Samstagsarbeit oder die Einstellung von Hilfskräften genutzt werden. Außerdem müsse erst eine Gefährdungsbeurteilung vorgenommen werden, die insbesondere auch die Auswirkungen von verlängerten Arbeitszeiten berücksichtigt. (VGH Mün-chen, 13.03.2014, 22 ZB 14.344)


Der lange Weg des Betriebsrats zur Toilette

So das Hessische LAG in dem hier vorliegenden Eilverfahren, mit dem der Betriebsrat eines Frachtunternehmens am Flughafen Frankfurt mit etwa 95 Arbeitnehmern das versetzen der Tür zu seinem Büro verhindern wollte. Die Baumaßnahme, so der Betriebsrat, habe Auswirkungen auf die Toilettenbenutzung. Sie verlängere den Weg zur Damentoilette auf 200 m. Das sei dem weiblichen Ersatzmitglied des Betriebsrats nicht zumutbar. Nachdem das ArbG Frankfurt a.M. den Eilantrag zurückgewiesen hat, verfolgt der Betriebsrat sein Ziel weiter vor dem Hessischen LAG.
Nach Auffassung des Hessischen LAG stehe dem Betriebsrat für die Umbaumaßnahme kein Mitbestimmungsrecht zu. Auch eine Behinderung der Betriebsratsarbeit sei nicht erkennbar, insbesondere nicht durch einen verlängerten Weg zur Damentoilette. Der Betriebsrat habe zwar Anspruch auf angemessene Unterbringung. Diese sei aber auch bei versetzter Tür gewährleistet. Die Entscheidung ist rechtskräftig. (Hessisches LAG, 03.03.2014, 16 TABVGa 214/13)


Geldabheben ist kein Arbeitsunfall

Die Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung des Unfalles als Arbeitsunfall ab, da sich der Kläger zum Unfallzeitpunkt nicht auf dem versicherten Weg befunden habe. Der Arbeitsweg sei vielmehr durch die eigenwirtschaftliche Handlung des Geldabhebens unterbrochen worden. Dagegen wandte sich der Kläger mit seiner Klage und machte geltend, er habe das Bargeld für die von ihm als Kraftfahrer zu verauslagenden Spesen benötigt. In der Firma bestehe die Anweisung, Bargeld auf den Touren mitzuführen, sonst würden die Fahrer gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen. Die Fahrer müssten Gelder für Eintritt, Toilettennutzung, Essensversorgung sowie für die Durchführung von Kleinreparaturen zunächst verauslagen und sie nachträglich mit der Firma abrechnen. Diese Anweisung hat der Speditionsleiter des Arbeitgebers allerdings nicht bestätigt.
Das Geldabheben ist – ebenso wie beispielsweise die Nahrungsaufnahme – grundsätzlich als eigenwirtschaftliche Tätigkeit anzusehen, die nicht dem Versicherungsschutz der Gesetzlichen Unfallversicherung unterfällt. In der Reichsversicherungsordnung war dies übrigens noch anders geregelt.



Kein Smiley in der Zeugnis-Unterschrift

Der Kläger war bei dem Beklagten als Ergotherapeut beschäftigt. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erteilte der Beklagte erst nach mehrfacher Aufforderung ein Zeugnis. Mit seiner Klage wandte sich der Kläger insbesondere dagegen, dass der Chef in den Anfangsbuchstaben „G.“ in seiner Unterschrift ein Smiley mit heruntergezogenem Mundwinkel gesetzt hatte. Das ArbG Kiel gab dem Kläger recht. Das Zeugnis bzw. die Unterschrift muss geändert werden. (ArbG Kiel, 18.04.2013, 5 Ca 80 b/13)


Amateurfußballer – Arbeitnehmer?

Das LSG entschied: Amateurfußballer, die vom Verein monatliche Zahlungen erhalten, sind nicht ohne weiteres als sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer anzusehen. Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis folgt insbesondere nicht schon daraus, dass dem Fußballspieler die Spielorte vorgegeben werden und er den Anordnungen des Trainers folgt. Im Übrigen muss bei den Zahlungen differenziert werden, ob es sich hierbei um beitragspflichtiges Arbeits-entgelt oder um eine beitragsfreie Aufwandsentschädigung handelt. (LSG Niedersachsen-Bremen 12.11.2013, L 4 KR 383/13 B ER)


Vibrator als Kündigungsgrund

Dennoch waren die lebhaften Schilderungen der Vorzüge des neuen Sexspielzeuges auch für Kunden zu hören. Diese ließen sich von der Vorführung interessiert unterhalten. Der Arbeitgeber sah die Geschehnisse als inakzeptabel an und sprach der Arbeitnehmerin die fristlose Kündigung aus. Das Zurschaustellen des Vibrators vor Vorgesetzten und Kunden sei eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz.
Dieser Ansicht schloss sich das ArbG Frankfurt an: „Allein das Mitbringen und Vorzeigen sexuell motivierter Gerätschaften an der Arbeitsstelle kann bereits eine sexuelle Belästigung und daher Grund für eine fristlose Kündigung sein. Dabei muss auch nicht grundsätzlich vorher eine Abmahnung ausgesprochen werden.“
Die fristlose Kündigung der freizügigen Arbeitnehmerin war damit gerechtfertigt. (ArbG Frankfurt a.M., 19 Ca 2539/05)


Der Jobcenter-Angestellte als Koks-Dealer

Der Arbeitnehmer bestritt gegenüber dem Arbeitgeber diesen Vorwurf. Ende Januar 2012 wurde er – aufgrund eines weitreichenden Geständnisses – in dieser Sache zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt, die Vollstreckung der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Davon setzte der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber, die Bundesagentur für Arbeit, am selben Tag in Kenntnis, die daraufhin nach Anhörung des Personalrats das Arbeitsverhältnis fristlos kündigte.
Das BAG erkannte die fristlose Kündigung nicht an. Die Begründung: „Der offenbar gewordene Mangel in der charakterlichen Eignung des Arbeitnehmers war „an sich“ als wichtiger Grund zur Kündigung geeignet. Er schloss einen weiteren Einsatz des Arbeitnehmers im hoheitlichen Bereich der Leistungsgewährung grundsätzlich ohne weiteren Aufschub aus. Im Streitfall war der Bundesagentur für Arbeit jedoch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zuzumuten. Zwar ist zu Lasten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, dass dieser seinen Eignungs-mangel – anders als etwa in Fällen einer Erkrankung – selbst zu vertreten hat, in der Vergangenheit hat sich dieser jedoch im Arbeitsverhältnis nicht tatsächlich ausgewirkt. Der Arbeitnehmer hat seine dienstlichen Aufgaben als solche ordnungsgemäß verrichtet.“ (BAG, 10.04.2014, 2 AZR 684/13)


Zu dick – Bewerbung abgelehnt

In einem erläuternden Schreiben des Vereins an den Anwalt der Bewerberin heißt es u.a.:
„1. Wir haben die Bewerbung von Frau … nicht abgelehnt. Im Gegenteil: Sie war unsere Favoritin und wir haben sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.
Wir fühlten uns nur in einem Punkt getäuscht, dass aus dem Bewerbungsbild von Frau … nicht hervorging, welches enorme Übergewicht sie mit sich trägt …
2. Im internen Gespräch diskutierten wir, was der Grund sein könne, dass eine gutaussehende junge Frau mit tollen Fähigkeiten und Ideen und dazu in diesem Alter dermaßen figurmäßig entgleist. Das irritierte uns.“

Das ArbG entschied: Eine Behinderung im Sinne des § 1 AGG liegt nicht vor. Das Übergewicht der Klägerin ist keine Behinderung im Sinne des AGG. Also kein Schadenersatz.



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