Ein großes Kölner Medienhaus beabsichtigt Anfang 2015 eine Umstrukturierung des Betriebs durchzuführen. Das Medienhaus führte dem Betriebsrat und der Belegschaft eine Powerpoint-Präsentation vor und unterrichtete die Öffentlichkeit über ihr Vorhaben.
Der Betriebsrat hatte daraufhin die Herausgabe der Präsentation zur nochmaligen Prüfung beantragt. Dies hatte das Medienhaus verweigert, unter anderem unter Hinweis auf nicht bei ihm liegende Urheberrechte an der Power Point Präsentation.
Das Arbeitsgericht Köln gab dem Medienhaus in einem Eilverfahren auf, dem Betriebsrat als Teil der erforderlichen Unterlagen zur geplanten Umstrukturierung auch die Powerpoint-Präsentation vorzulegen.
Die Rechte des Betriebsrats im Vorfeld einer geplanten Betriebsänderung bestimmen sich nach §§ 111-113 BetrVG. Nach § 111 Satz 1 BetrVG muss der Arbeitgeber den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen rechtzeitig und umfassend unterrichten. Nach allgemeiner Ansicht muss der Unternehmer dem Betriebsrat alle erforderlichen Unterlagen zur Verfügung stellen
ArbG Köln, Beschluss vom 22.10.2014 – 15 BVGa 26/14
2015 Ausgabe 2 / Monat April
Betriebsrat hat Anspruch auf Vorlage aller Online-Bewerbungen – Alle Bewerberunterlagen müssen vorgelegt werden
Dem Betriebsrat eines Filialbetriebes in Flensburg wurde bekannt, dass sich über ein zentrales Online-Portal eine Mitarbeiterin (fälschlicherweise) für die Tätigkeit in einer süddeutschen Filiale beworben hatte, obwohl sie selbst in Flensburg wohnt. Ihre Bewerbung war jedoch im Recruitment-Center aussortiert worden. Der Betriebsrat verlangte nun, anlässlich einer Stellenbesetzung, dass ihm auch die „vorab aussortierten“ Bewerbungen vorgelegt werden müssen. Das Bundesarbeitsgericht gab dem Betriebsrat Recht. „Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat der Arbeitgeber die Unterlagen bezüglich aller Stellenbewerber – auch der nicht berücksichtigten oder abgelehnten – vorzulegen. Nur so kann der Betriebsrat seiner gesetzlichen Prüfungspflicht genügen .’Damit sind alle Stellenbewerber auch Beteiligte, über deren Person Auskunft zu geben ist. Auch derjenige, der sich auf eine Stelle bewirbt, deren Anforderungsprofil oder Qualifikationsvoraussetzungen er nicht erfüllt und damit – ggf. sogar offensichtlich oder objektiv – für die Stelle ungeeignet ist, bringt sein Interesse an dem ausgeschriebenen Arbeitsplatz zum Ausdruck. Es kommt für die Unterrichtungspflicht nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht darauf an, ob der für die Einstellungsentscheidung zuständige Store-Manager Kenntnis von der Bewerbung hat und ob ihm die Bewerbungsunterlagen zur Verfügung gestellt wurden. Es kommt vielmehr darauf au, dass dem Arbeitgeber im automatisierten Verfahren entsprechende Bewerbungen vorgelegen haben. (Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 21. Oktober 2014 – 1 ABR 10/13)
Geschlechterquote und Betriebsratswahl: Keine Korrektur im Nachrückverfahren
In dem konkreten Fall wurde darüber gestritten, ob das Übererfüllen der Geschlechterquote durch einen Nachrückvorgang zu einer nachträglichen Korrektur eines – dem Minderheitengeschlecht geschuldeten – Listensprungs führen kann. Nach der Regelung in § 15 BetrVG zog eine Arbeitnehmerin (Geschlecht der Minderheit) in den Betriebsrat ein und „verdrängte“ dabei einen Bewerber, der im direkten Vergleich mehr Stimmen erzielt hatte.
Zu einem späteren Zeitpunkt schied ein (anderes) männliches Mitglied aus dem Betriebsrat aus und wurde im Nachrückverfahren durch eine Bewerberin ersetzt. Der Betriebsrat vertrat die Auffassung, dass die Minderheitenquote nunmehr übererfüllt sei. Die zunächst in den Betriebsrat eingezogene Bewerberin scheide aus dem Betriebsrat aus mit der Folge, dass der zunächst „verdrängte“ Bewerber Mitglied des Betriebsrats werde. Die Arbeitgeberin und die Arbeitnehmerin beantragten festzustellen, dass die Arbeitnehmerin Mitglied des Betriebsrats im Betrieb der Arbeitgeberin ist und dass der zunächst „verdrängte“ Bewerber nicht Mitglied des Betriebsrats im Betrieb geworden ist.
Das ArbG gab dem Antrag statt. Der Beschluss ist rechtskräftig.
Die Gründe: Die zunächst in den Betriebsrat eingezogene Bewerberin bleibt Mitglied des Betriebsrates und wird nicht durch den „verdrängten“ Bewerber ausgetauscht. Nach § 25 BetrVG rückt ein Ersatzmitglied nach, wenn ein Mitglied des Betriebsrats ausscheidet. Die Ersatzmitglieder werden unter Berücksichtigung des § 15 Abs. 2 BetrVG der Reihe nach aus den nichtgewählten Arbeitnehmern derjenigen Vorschlagslisten entnommen, denen die zu ersetzenden Mitglieder angehören. Erfolgte die Wahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl, so tritt an die Stelle des ausgeschiedenen oder zeitweilig verhinderten Mitglieds das dem gleichen Geschlecht angehörende Ersatzmitglied, das auf der Liste als nächster Vertreter vorgeschlagen ist, wenn dies zur Wahrung der Mindestquote des § 15 Abs. 2 erforderlich ist. Ansonsten folgt der nächste Vertreter auf der Liste ohne Hinblick auf das Geschlecht.
Die Auslegung der Norm ergibt, dass eine Übererfüllung der Minderheitengeschlechterquote infolge eines Nachrückvorgangs grundsätzlich unbeachtlich ist. Der Listensprung wird nicht nachträglich korrigiert. Daraus folgt, dass die Arbeitnehmerin ihr Mandat behält. Der Wortlaut des § 25 BetrVG ist insoweit eindeutig. Er eröffnet dem Betriebsrat keine Möglichkeit, das bekanntgegebene Wahlergebnis nachträglich bei einem Nachrückvorgang zu korrigieren. Er kann nur bei einem Nachrückvorgang zur Wahrung der Geschlechterquote eine andere nachrückende Person bezeichnen, § 25 Abs. 2 S. 1 BetrVG.
Aus § 15 Abs. 2 BetrVG folgt kein abweichendes Auslegungsergebnis: Die auch für das Nachrücken maßgebliche Regelung in § 15 Abs. 2 BetrVG regelt allein eine Mindestquote. Die Vorschrift stellt keine Ermächtigung dafür dar, einen Listensprung nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses zu korrigieren, etwa weil das Nachrücken eines Betriebsratsmitglieds des Minderheitengeschlechts die Quote erfüllt. (ArbG Köln 12.11.2014, 17 BV 296/14)
Whistleblowing einmal andersherum – Strafanzeigen gegen Arbeitnehmer setzen innerbetrieblichen Klärungsversuch voraus
In dem Fall ging es um einen Fahrer, der in einem Werttransportunternehmen beschäftigt war. Er hatte einen Geldschein eines Kunden zur Überprüfung seiner Echtheit der Polizei übergeben. Nach Rückerhalt des Geldscheins gab er diesen in einer Filiale der Arbeitgeberin ab, was allerdings nicht quittiert wurde.
Als der Kunde später nach dem Verbleib des Geldscheins fragte und der Vorgang nicht nachvollzogen werden konnte, erstattete die Beklagte Strafanzeige gegen den zwischenzeitlich aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Kläger, ohne diesen hierzu zu befragen.
Nach Aufklärung des Sachverhalts stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren ein. Der Kläger hatte einen Rechtsanwalt mit der Vertretung seiner Interessen beauftragt und verlangte von der Beklagten die Erstattung der Kosten. Das Arbeitsgericht gab seiner hierauf gerichteten Klage statt.
Das Gericht: Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung seiner Anwaltskosten.
Zwar darf jemand, der gutgläubig eine Strafanzeige erstattet, nicht mit dem Risiko eines Schadensersatzanspruchs belegt werden, wenn sich der Verdacht später nicht bestätigt. Dieser Grundsatz gilt im Arbeitsverhältnis allerdings nicht uneingeschränkt.
Im Arbeitsverhältnis bestehen nämlich besondere Fürsorgepflichten, nach denen die eine Partei der anderen nicht grundlos Nachteile zufügen darf. Danach müssen Arbeitgeber leicht vermeidbare Strafanzeigen gegen ihre Arbeitnehmer unterlassen. Die Beklagte hätte daher den Kläger vor Erstattung der Anzeige befragen und den Sachverhalt auf diese Weise ggf. aufklären müssen.
ArbG Köln 6.11.2014, 11 Ca 3817/14