2021 Ausgabe 2 / Monat Februar
Mitbestimmung bei „Mindest-Personalbesetzung“
Mitbestimmung bei „Mindest-Personalbesetzung“
LAG Hamburg geht weiter als das BAG
In dem Fall hatte bereits im Jahr 2009 ein Gutachter festgestellt, dass die Arbeit von Ärzten und Personal unter Zeitdruck als Stressfaktor zu werten ist, der zu psychischer Ermüdung führen kann. In einer Einigungsstelle zur Gefährdungsbeurteilung wurden deshalb eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, auch die Erhöhung der Stellenzahl.
Die Arbeitgeberin focht diesen Teil-Spruch der Einigungsstelle wegen Ermessens-Überschreitung an, verlor damit aber in zweiter Instanz.
Das LAG stellte insbesondere heraus, die Einigungsstelle greife durch den Spruch nicht unzulässig in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit ein. Das BAG habe bereits in seiner Entscheidung vom 31.08.1982 (1 ABR 27/80) die Auffassung vertreten, die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats stünden nicht unter dem allgemeinen Vorbehalt, dass durch sie nicht in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit eingegriffen werden dürfe. So sei in einem Kaufhaus vom Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auch eine Arbeitszeitregelung gedeckt, welche die Ausschöpfung der gesetzlichen Ladenschlusszeiten unmöglich mache.
Personalplanung eines Arbeitgebers ist nicht absolut frei
Dass die Personalplanung eines Arbeitgebers nicht absolut frei sein könne, werde besonders deutlich, wenn man berücksichtige, dass der Begriff nicht nur die abstrakte Bedarfsplanung beinhalte, auf welche die Arbeitgeberseite ihren Blick beschränke, sondern auch die Festlegung von Anforderungsprofilen, die Personalbeschaffungsplanung und die Personaleinsatzplanung.
Beteiligungsrecht des Betriebsrates
In den meisten dieser Bereiche werde das Beteiligungsrecht des Betriebsrats nach § 92 BetrVG durch besondere Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte ergänzt. Nach § 93 BetrVG könne der Betriebsrat die Öffnung des innerbetrieblichen Arbeitsmarkts erzwingen. Nach § 94 Abs. 1 BetrVG bedürfen Personalfragebögen und nach § 95 Abs. 1 BetrVG Auswahlrichtlinien der Zustimmung des Betriebsrats, wobei letztere in Betrieben mit mehr als 500 Beschäftigten sogar gegen den Willen des Arbeitgebers eingeführt werden könnten.
Gehe die Personalbeschaffung mit Maßnahmen des Arbeitgebers zur Berufsbildung einher, stünden dem Betriebsrat die Rechte der §§ 96-98 BetrVG zur Seite bis hin zur gleichberechtigten Mitwirkung an der Entscheidung, welche Mitarbeiter an Maßnahmen der betrieblichen Fortbildung teilnehmen sollen. Die Personaleinsatzplanung löse, sobald sie in personellen Einzelmaßnahmen münde, die Rechte des Betriebsrats gemäß § 99 BetrVG aus, was im Einzelfall dazu führen könne, dass der Arbeitgeber daran gehindert werde, seine Personalplanung umzusetzen. Da das LAG von den Ausführungen des Gutachters überzeugt war, wurde festgestellt: Aus Gründen des Gesundheitsschutzes könne eine konkrete Personalbemessung durch eine Einigungsstelle festgelegt werden.
(LAG Hamburg, Beschluss vom 16.07.2020, 8 TaBV 8/19)
„Kamera im Home-Office ein oder aus?“
Videokonferenzen im Home-Office und das Persönlichkeitsrecht
worüber Juristen streiten können…
So wird ernsthaft argumentiert, das Weisungsrecht nach § 106 Gewerbeordnung umfasst schließlich auch den „Inhalt“ der Arbeitsleistung. Dagegen steht natürlich, gerade bei arbeitenden Mitarbeitern im Home-Office weitere Umstände zu berücksichtigen. Die Mitarbeiter befinden sich in ihrem privaten Umfeld. Gerade während der Pandemie arbeiten die Mitarbeiter zum Teil unter nicht optimalen Bedingungen, z.B. im Wohnzimmer oder am Küchentisch. Das führt etwa dazu, dass Einrichtungsgegenstände, Bilder, Haustiere oder sogar Familienangehörige im Bild zu sehen sind. In diesem Fall wird durch die Bildübertragung weitergehend in das Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter eingegriffen.
Hier wäre zu fragen, ob eine Videokonferenz wirklich erforderlich (vgl. § 26 Abs. 1 BDSG) ist oder nicht auch eine einfache Telefonkonferenz ausreicht. Selbst wenn sich dieses Problem durch „Weichzeichner“, die den Hintergrund austauschen, lösen lässt, bleibt noch das „Recht am eigenen Bild“. …und schließlich könnten Videositzungen natürlich auch (unberechtigterweise) aufgezeichnet werden.
Wie gut, dass es Betriebsräte gibt, die für solche „Ordnungsfragen“ zuständig sind.