Arbeitnehmer und Arbeitgeber stritten vor dem Bundesarbeitsgericht darüber, ob der Arbeitnehmer sich in seiner Freizeit über Dienstplanänderungen informieren und danach richten muss. Der Arbeitnehmer ist als Notfall Sanitäter bei dem Arbeitgeber tätig. Eine Betriebsvereinbarung zum Thema Arbeitszeit regelt unter anderem den Einsatz der Sanitäter im Springerdienst. Arbeitgeber und Betriebsrat legten fest, dass der Arbeitgeber
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Muss ich nach Feierabend E-Mails lesen?
LAG Schleswig-Holstein meint: Nein!
In diesem Fall ging es um einen Notfallsanitäter und eine kurzfristige Dienstplanänderung für den Folgetag. Der Kläger war jedoch an diesem Tag weder telefonisch noch per SMS zu erreichen. Er meldete sich erst wieder zu seinem ursprünglich geplanten Dienstbeginn. Der Arbeitgeber wertete dieses Verhalten als unentschuldigtes Fehlen und erteilte dem Kläger eine Abmahnung.
Mit seiner Klage wehrt sich der Kläger gegen den Abzug von Stunden von seinen Arbeitszeitkonten und begehrt die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte. Das ArbG wies die Klage ab.
Das LAG gab der Klage statt. Es liegt kein unentschuldigtes Fehlen des Klägers vor, da die Beklagte nicht hat nachweisen können, dass dem Kläger die Mitteilung über die kurzfristige Änderung des Dienstplans zugegangen ist. Zwar ist davon auszugehen, dass die SMS auf dem Handy des Klägers eingegangen ist. Mit der Kenntnisnahme des Inhalts der SMS durfte der Arbeitgeber jedoch nicht vor 7:30 Uhr des Folgetages (dem planmäßigen Dienstbeginn des Klägers) rechnen. Denn der Kläger ist nicht verpflichtet, während seiner Freizeit eine dienstliche SMS aufzurufen, um sich über seine Arbeitszeit zu informieren und damit zugleich seine Freizeit zu unterbrechen. Beim Lesen einer SMS, mit der der Arbeitgeber sein Direktionsrecht im Hinblick auf Zeit und Ort der Arbeitsausübung konkretisiert, handelt es sich um Arbeitszeit. Der Kläger erbringt mit dem Lesen eine Arbeitsleistung.
In seiner Freizeit steht dem Kläger das Recht auf Unerreichbarkeit zu. Wie schon vom LAG Thüringen festgestellt (16.5.2018 – 6 Sa 442/17), gehört es zu den vornehmsten Persönlichkeitsrechten, dass ein Mensch selbst entscheidet, für wen er/sie in dieser Zeit erreichbar sein will oder nicht. (LAG Schleswig-Holstein v. 27.9.2022 – 1 Sa 39 öD/22)
Kann der Arbeitgeber Wahl des Verkehrsmittels anordnen?
„Das allgemeine Direktionsrecht des Arbeitgebers ermächtigt diesen regelmäßig nicht dazu, dem Arbeitnehmer Vorschriften darüber zu machen, mit welchem Verkehrsmittel (Privatfahrzeug, Bahn oder Bus) dieser die ihm zugewiesene Arbeitsstätte von seinem häuslichen Lebensmittelpunkt (hier: von Berlin nach Dresden) aus zu erreichen habe. Die Weigerung des Arbeitnehmers, anstelle seines Privatfahrzeugs das vom Arbeitgeber bevorzugte Verkehrsmittel (Bahn, Bus) zur Anreise zu benutzen, stellt daher keine Vertragsverletzung des Arbeitnehmers dar, so das Gericht. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer bei Anreise zur Arbeitsstätte einen rund 35 kg wiegenden Werkzeugkoffer mit sich führen muss und er in der Vergangenheit bereits monatelang wegen Rückenleidens arbeitsunfähig erkrankt gewesen war. „Die Grundsätze vorbeugenden betrieblichen Gesundheitsschutzes erfordern es vielmehr, auf die besondere gesundheitliche Gefährdungslage des Arbeitnehmers entsprechende Rücksicht zu nehmen und ihm die insofern schonendere Anreise per Privatfahrzeug deshalb zuzubilligen.“ (ArbG Berlin vom 31.10.2014 – 28 Ca 12594/14)
Befragung sachkundiger Arbeitnehmer – ohne Anwesenheit des Arbeitgebers
In dem konkreten Fall wollte der Betriebsrat eines Krankenhauses einen externen EDV-Sachverständigen hinzuziehen, der Arbeitgeber benannte drauf hin vier „sachkundige Arbeitnehmer“, die vorher zu Rate zu ziehen waren. Bei deren Befragung durch den Betriebsrat wollte allerdings der Verwaltungsdirektor anwesend sein.
Wie das Bundesarbeitsgericht hervorhebt, dient die Einbeziehung von Auskunftspersonen nach § 80 Abs. 2 Satz 3 BetrVG der Wissensvermittlung durch betriebsangehörige Arbeitnehmer. Sie dient allerdings nicht der Begrenzung der von Arbeitgeber zu tragenden Kosten für die Hinzuziehung eines Sachverständigen nach § 80 Abs. 2 Satz 3 BetrVG.
Der Arbeitgeber ist auch verpflichtet, die Auskunftspersonen für die Befragung durch den Betriebsrat freizustellen. „Die Wahrnehmung der Aufgaben einer Auskunftsperson iSd. § 80 Abs. 2 Satz 3 BetrVG gehört“, so das BAG, „regelmäßig zu den Aufgaben, die der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer gegenüber kraft seines Direktionsrechts (§ 106 Satz 1 GewO) anordnen kann.“ Er kann dann allerdings auch den Gegenstand und Umfang der zu erteilenden Auskünfte bestimmen. Diese binden die Arbeitnehmer bei der Beantwortung der ihm vom Betriebsrat gestellten Fragen.
(Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 20. Januar 2015 – 1 ABR 25/13)