Das „Freizeitopfer“ von BR-Mitgliedern soll entschädigt werden
Die Frage stellt sich immer wieder: Kann ein BR-Mitglied bei Ausfall einer Schicht (wegen einer BR-Sitzung) neben der Bezahlung der Freischicht auch die Bezahlung für die BR-Sitzung verlangen. Das BAG meint jetzt: ja. Das persönliche „Freizeitopfer“ muss entschädigt werden.
In dem jetzt entschiedenen (typischen) Fall ging es um ein Betriebsratsmitglied, der in vollkontinuierlicher Wechselschicht (Frühschicht-Spätschicht-Nachtschicht-Freiwoche) beschäftigt ist. Bisher hatte die Arbeitgeberin ihn am letzten Tag der Nachtschicht für acht Stunden bezahlt von der Arbeitsleistung freistellte, wenn am ersten Tag der Freiwoche eine Betriebsratssitzung stattfand.
Am 23.07.2015 nahm er in der Zeit von circa 8.30 Uhr bis circa 15.40 Uhr an einer Betriebsratssitzung teil und war für die vorausgehende Nachtschicht für acht Stunden bezahlt von der Arbeitsleistung freigestellt worden. Nun weigerte sich die Arbeitgeberin, ihm für die Dauer der geleisteten Betriebsratsarbeit darüber hinaus Freizeitausgleich zu gewähren. Die Arbeitgeberin meinte, dem Kläger sei infolge der früheren Freistellung (durch Ausfall der Nachtschicht) gar keine zeitliche Mehrbelastung entstanden. Schließlich führe eine kumulative Zuerkennung von Ansprüchen aus § 37 Abs. 2 BetrVG (also die vorherige Freistellung) und § 37 Abs. 3 BetrVG (also der hier streitgegenständliche nachträgliche Freistellungsanspruch) zu einer unzulässigen Begünstigung als Betriebsratsmitglied. Das Arbeitsgericht und das LAG Düsseldorf haben die Klage abgewiesen.
BAG „dreht“ die Entscheidung
Das BAG hat die Entscheidung komplett umgedreht und der Klage stattgegeben, so dass die Arbeitgeberin dem Arbeitszeitkonto des BR-Mitglieds die begehrten rund sieben Stunden gutzuschreiben hat. Damit wurde die bisherigen Rechtsprechung aufgegeben.
Die Gründe des Gerichts: „Grundsätzlich muss geleistete Arbeit in das Zeitkonto eingestellt werden.“ Nach (neuer) Ansicht des BAG liegt Betriebsratstätigkeit nicht nur dann „außerhalb der Arbeitszeit“ i.S.v. § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, wenn sie zusätzlich geleistet wird. Vielmehr komme es nunmehr ausschließlich darauf an, ob die Betriebsratstätigkeit aus betriebsbedingten Gründen zu einer Zeit zu leisten sei, zu der das Betriebsratsmitglied sonst keine Arbeitsleistungen zu erbringen hätte. Zu diesem Verständnis kommt das BAG durch die Auslegung von § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG.
Wochenarbeitszeit kann überschritten werden
Bereits aus dem Wortlaut („außerhalb“) ergebe sich, dass es lediglich auf die zeitliche Lage der Betriebsratstätigkeit ankomme, nicht aber darauf, ob der vertraglich geschuldete Umfang der Arbeitszeit überschritten und die Betriebsratstätigkeit daher zusätzlich geleistet werde. Diese Sichtweise entspreche auch dem Sinn und Zweck der Regelung. Während § 37 Abs. 2 BetrVG das Betriebsratsmitglied vor einer Minderung seines Arbeitsentgelts wegen Arbeitsversäumnis infolge notwendiger Betriebsratsarbeit schütze, solle der Ausgleichsanspruch nach § 37 Abs. 3 BetrVG verhindern, dass Betriebsratsmitglieder durch einen Verlust persönlicher Freizeit benachteiligt werden, wenn sie ihre Betriebsratstätigkeit aus betriebsbedingten Gründen nicht während ihrer Arbeitszeit ausführen könnten.
Schutz der persönlichen Freizeit
Das BAG bringt dies wie folgt auf den Punkt: „Es handelt sich im Ergebnis um ein zeitlich verschobenes Arbeitsentgelt für eine sonst in der persönlichen Arbeitszeit anfallende Betriebsratstätigkeit, die nur infolge eines dem Arbeitgeber zuzurechnenden Umstands in die Freizeit verlegt wird.“ Eine unzulässige Begünstigung eines BR-Mitgliedes sah das BAG jedenfalls nicht. (BAG Urteil vom 15.05.2019 – 7 AZR 397/17)
Tags: Arbeitszeit, außerhalb persönlicher Arbeitszeit, Betriebsrat, Freizeitausgleich, Freizeitopfer, Schichtausfall, Vergütung