Ein freigestelltes BR-Mitglied hat Anspruch auf die „betriebsübliche Entwicklung“, § 37 Abs, 4 BetrVG. Streitfälle hierzu gibt es genug.

Jüngst musste das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall eines Gewerkschaftssekretärs entscheiden, der den Anspruch erhob, längst Bezirkssekretär geworden zu sein.Der Kläger stellt also seine Klage darauf ab, dass (im konkreten Fall) seit August 2016 andere Sekretäre zum Bezirksgeschäftsführer ernannt wurden. Für das BAG kam es aber nicht auf diesem Zeitpunkt an. Die Regelung in § 37 Abs. 4 BetrVG verlangt die „Nachzeichnung“ einer typischen Entwicklung, wie sie auch andere vergleichbare Mitarbeiter genommen haben. Konkret: „Vergleichbar iSv. § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG sind Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt haben wie der Amtsträger und dafür in gleicher Weise wie dieser fachlich und persönlich qualifiziert waren.“ Dann kommt es darauf an, dass auch „üblicherweise“ eine Beförderung erfolgte.

Das BAG: „Eine Üblichkeit entsteht aufgrund gleichförmigen Verhaltens des Arbeitgebers und einer von ihm aufgestellten Regel. Dabei muss der Geschehensablauf so typisch sein, dass aufgrund der Gegebenheiten und Gesetzmäßigkeiten zumindest in der überwiegenden Anzahl der vergleichbaren Fälle mit der jeweiligen Entwicklung gerechnet werden kann.“ Ein Kläger muss also nachweisen, dass „mit hinreichener Wahrscheinlichkeit“ die Mehrzahl der mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmer die behauptete Gehaltsentwicklung genommen hat. Maßgebend für ein freigestelltes BR-Mitglied ist dann, „ob die Gehaltsentwicklung des Betriebsratsmitglieds während der gesamten Dauer seiner Amtsausübung in Relation zu derjenigen vergleichbarer Arbeitnehmer zurückgeblieben ist“.
Diesen Gesamtzeitraum hatte des LAG Schleswig-Holstein nicht bewertet, sondern nur auf den Zeitpunkt abgestellt, zu dem andere Sekretäre befördert wurden. Das reichte dem BAG nicht aus und verwies der Fall nach Kiel zurück. (BAG v. 22.1.2020, 7 AZR 222/19)

Anmerkung:

Über die „gerechte“ Bezahlung von BR-Mitgliedern, insbesondere Freigestellte wird viel gestritten. Die typische berufliche Entwicklung muss sich allerdings (so die ständige Rechtsprechung) an derjenigen orientieren, die vergleichbare Mitarbeiter genommen haben. Dafür gilt weiterhin: Jedes BR-Mitglied muss möglichst drei Kollegen/in „im Auge behalten“, die zur gleichen Zeit eingestellt wurden und deren Entwicklung beobachten. Tritt dort mind. in einem Fall eine Beförderung auf eine höherwertige Stelle ein, kann in der Regel von einer Gleichförmigkeit der Entwicklung ausgegangen werden.
Wolfgang Steen, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Hamburg www.gsp.de